K12

Gesundheitliche Aufklärung im Social Web

25. März 2015 · von Jörg Hoewner · 4 Kommentare

Pilotprojekt Social Media im Gesundheitswesen: Für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA untersuchten wir gemeinsam mit den Research-Spezialisten von ComX, wie sich das Social Web im Rahmen der gesundheitlichen Aufklärung nutzen lassen.

Ist die Social Community offen für eine staatliche Institution? Haben Botschaften der gesundheitlichen Aufklärung in Blogs, Foren und auf Facebook eine Chance? Trifft man hier Zielgruppen, die mit klassischen Maßnahmen schwer erreichbar sind? Die BZgAhat vor zwei Jahren ein Pilotprojekt angestoßen, um ihre digitalen Gesundheitsinformationen auf den Websites familienplanung.de und loveline.de systematisch mit Social-Media-Maßnahmen zu verknüpfen – und die Ergebnisse auszuwerten. Das 2014 beendete Projekt untersuchte Möglichkeiten, mit Zielgruppen in Kontakt zu kommen und sie inhaltlich zu beteiligen. Im Fokus stand die Frage, was Social Media für die gesundheitliche Aufklärung bedeuten kann.

Zielsetzung: gesundheitliche Aufklärung messen

Grundlegend für die Untersuchung war die Frage, ob Social Media-Nutzer Informationen der zentralen Websites loveline.de und familienplanung.de suchen und annehmen. In einem mehrstufigen Prozess prüften ComX und K12 daher, wie die Interventionsziele „Wissen weitergeben“ und „Verhalten beeinflussen“ erreicht wurden. Beispielsweise beobachteten wir den Traffic auf bestimmten Zielseiten, etwa die Suche nach Beratungsstellen der BZgA.

Auswahl: Die passenden Social-Media-Kanäle

Welche Sozialen Medien unterstützen die Angebote von loveline.de und familienplanung.de am besten? Für die Auswahl unter Google+, Instagram und Co. identifizierten ComX und K12 zunächst 22 Plattformen und Maßnahmen, die bei der Gesundheitsaufklärung eine Rolle spielen. Zum klassischen Desk Research gehörten die Analyse der Websites sowie das Screenings von Fachliteratur, Nutzungsstudien und Fachblogs. Aus dieser Gruppe stammen letztlich unsere Maßnahmen, die

  • rechtlich möglichst unbedenklich sind (minderjährige Zielgruppe!),
  • möglichst viele Nutzer erreichen,
  • Interaktionen fördern und
  • mit überschaubarem Zeit- und Personalaufwand durchzuführen sind.

Und diese Social-Media-Kanäle machten das Rennen:

Facebook/Facebook Ads: Seid ihr alle da?

Speziell für junge Leute ist Facebook das meistgenutzte soziale Medium. Klar, dass wir dort auch hinmussten. Loveline.de hatte bereits eine eigene Fanpage, die wir inhaltlich weiterentwickelten und die Reichweite mit prominenten Kooperationspartnern steigerten. familienplanung.de erhielt neu eine eigene Fanpage, die mit weiteren Maßnahmen verknüpft wurde: Kooperationen und ein „Badge“ – eine Art Facebook-Schwangerschafts-Siegel für schwangere Facebook-Nutzerinnen.

Kooperationen in Facebook: Prominente als Sprachrohr

Als Vermittler für die Zielgruppe von loveline.de konnten wir Sophie Jungblut (Germany’s Next Topmodel) und Mehrzad Marashi (DSDS) gewinnen. Die beiden Prominenten posteten auf ihren eigenen Fanpages zu Inhalten der loveline-Fanpage. Für Familienplanung.de setzten wir auf Angebote von Verlagen, beispielsweise NetMoms.

Foren: Kompetente Ansprechpartner antworten

Foren eignen sich besonders für Themen wie Liebe, Sexualität und Schwangerschaft: Nutzer diskutieren dort anonym, auf Augenhöhe und in Erwartung einer qualifizierten Antwort. In diese Welt klinkten wir uns mit Kooperationen und Foren-Webcare ein: So postete beispielsweise loveline.de in einer gesonderten Rubrik des Kooperationspartner www.planet-liebe.de Expertentipps. Loveline.de und familienplanung.de beantworteten in verschiedenen Foren Fragen der Nutzer – mit Hinweis auf Informationen, die bereits in den Web-Angeboten BZgA zu finden sind..

Blogger-Relations: Multiplikation der Inhalte

(Nicht-kommerzielle) Blogger sind Multiplikatoren und stehen auf der Glaubwürdigkeits-Skala ganz weit oben. ComX und K12 kontaktierten Bloggerinnen aus dem Bereich „Schwangerschaft“, um auf das Informationsmaterial der BZgA hinzuweisen.

Crowdsourcing: Mitmach-Aktionen für die Nutzer

Wir haben Nutzer gebeten, an den Inhalten einer Broschüre von loveline.de mitzuarbeiten. Beworben wurde die Plattform “lovecloud.loveline.de” über Facebook Ads, Posts auf der Fanpage und einen Button auf der Website.

Foursquare: Vor Ort dabei sein

Beim „Check-in“ auf Events für Jugendliche, wie der YOU (Berlin) und der Ruhr In Love (Oberhausen) erhielten Besucher einen „loveline-Tipp“ zum Umgang mit Dates und neuen Bekanntschaften.

Projektbegleitung: Metrics, Umfragen, Interviews

Und was hat das jetzt gebracht? Besonders wichtig war der BZgA die Auswertung der Maßnahmen. Comx führte daher insgesamt drei Online-Befragungen mit kontrollierten Testgruppen durch, die sich auch in telefonischen Nachinterviews äußern durften. Angesprochen waren Jugendliche – für loveline.de – und Schwangere – stellvertretend für die Zielgruppe von familienplanung.de.

Weitere Einblicke in den Umgang der Zielgruppe mit den Social-Media-Angeboten gewährten eine On-Site-Befragung über den gesamten Projektzeitraum und Intensivinterviews am Teststudio-PC. Außerdem werteten wir die Statistiken der zentralen Webseiten familienplanung.de und loveline.de aus, analysierten Foren-Beiträge, beobachteten die Facebook-Nutzung und dokumentierten die Reaktionen auf die interaktiven Angebote beim Crowdsourcing und auf Foursquare.

Ergebnisse: Social Media für gesundheitliche Aufklärung

Ob Facebook-Fanpages oder Foren: Die genutzten Social-Media-Kanäle leiteten die meisten Nutzer nicht unmittelbar auf die Websites loveline.de und familienplanung.de weiter. Sie steigerten aber den Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz der Angebote in den Zielgruppen.

Hier einige Details:

  • Die Resonanz auf die Facebook-Posts blieb hinter den Erwartungen zurück. Wie sich in den Interviews und Befragungen zeigt, hängt dies mit der fehlenden Anonymität bei schambesetzten und sensiblen Themen (Sexualität, Schwangerschaft) zusammen.
  • Foren eignen sich wegen der größeren Anonymität besonders für schambesetzte Themen.
  • Die Reichweiten in den Foren sind zwar deutlich höher als die der Facebook-Maßnahmen, für mehr Besuche auf den Websites sorgte dies jedoch nicht.
  • Webcare: Die Nutzer nahmen die Antworten der Experten in den Foren als seriös und relevant wahr. Insbesondere gegenüber Jugendlichen empfiehlt es sich jedoch für eine „Autorität“ wie die BZgA, sich auf gesundheitliche Kernthemen zu beschränken.
  • Nach wie vor leiten vor allem klassische Offline(!)- und Online-Angebote der BZgA die Nutzer zu familienplanung.de und loveline.de weiter.
  • Absolut wichtigster (Online-)Zugangsweg zu beiden Websites ist Google; familienplanung.de erhält zudem viele Besucher von Wikipedia.
  • Die Prominenten-Kooperationen auf Facebook punkten mit einem besonders guten Kosten-Nutzen-Verhältnis.
  • Foursquare, Crowdsourcing und Blogger Relations waren im Pilotprojekt wenig geeignet, Inhalten zur gesundheitlichen Aufklärung mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Fazit:

Social Media eignet sich grundsätzlich, um auf Anliegen der gesundheitlichen Aufklärung aufmerksam zu machen. Das gilt vor allem, wenn sie „klassische“ Online-Maßnahmen wie Websites flankieren. Vom Thema selbst hängt dabei ab, welcher Kanal den größten Erfolg verspricht: Bei schambesetzten Themen hat sich beispielsweise die Anonymität der Foren bewährt.

Ebenfalls vom Thema und der Zielgruppe hängt ab, ob sich Social-Media-Maßnahmen wirklich „rechnen“. Je nach Zielsetzung können alternative Kanäle kosteneffizienter sein.

Autor: Jörg Hoewner

Jörg Hoewner: Jg. 1969, ist Geschäftsführender Partner der K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation und Consultant für moderne Unternehmenskommunikation in Düsseldorf. Seit 1995 berät er Kunden im Bereich Online Relations / Online-PR und war damit einer der ersten Berater in Deutschland auf diesem Feld. In den vergangenen 20 Jahren hat Jörg Hoewner zahlreiche Kunden beraten, viele Unternehmen (darunter DAX30-Unternehmen) und mehrere Verbände. Darüber hinaus ist er als Referent aktiv und Autor zahlreicher Fachbeiträge – online, in Zeitschriften und Büchern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem Thema integrierte Kommunikation, deren Messbarkeit und der Auswirkung von Kommunikationstechnologien auf die interne und externe Unternehmenskommunikation. Kontakt: Jörg Hoewner (joerg.hoewner@k-zwoelf.com) – T. +49 (211) 5988 16 32.

4 Kommentare

  1. Udo Engel sagt:

    Interessanter Artikel.

    Sehr schön finde ich die Formulierung zu Foren: „Nutzer diskutieren dort anonym, auf Augenhöhe und in Erwartung einer qualifizierten Antwort.“ Das trifft es auf den Punkt.

    Weniger schön fand ich folgende Aussage: „Speziell für junge Leute ist Facebook das meistgenutzte soziale Medium.“ Ist das so? Woher stammt diese Ansicht? Habt ihr dazu im Vorfeld Analysen bemüht? Ich finde es aus 2 Gründen wunderlich:

    1. Man liest überall, dass der Anteil der Jugendlichen auf Facebook immer mehr abnimmt
    2. Befragt man Jugendliche selbst, bestätigen diese zumindest immer öfter, dass Facebook kaum eine Rolle spielt, und deren Fokus mehr auf Messengern und Bild-Sharing-Netzwerken wie Instagramm liegt.

    Vielleicht müsste ich aber zunächst auch fragen, wie ihr „junge Leute“ definiert habt? Das können Kinder sein, Jugendliche, junge Erwachsene bis hin zu jung gebliebenen End-Zwangigern 😉

  2. Hallo und Danke für den Kommentar. In der Tat haben wir vor Auswahl der Kanäle (wie z.B. Facebook) eine Befragung durchgeführt, die auch noch mal in den qualitativen Interviews bestätigt wird.

    Und demnach war (und ist) in der Zielgruppe, über die wir bei dem einen Teilprojekt Loveline sprechen, Facebook das meistgenutzte soziale Medium. Wohlgemerkt: Wir reden hier über Teenager.

    Wir wissen aus anderen Studien, dass What´s App ein ähnlich häufig genutzter Kanal ist, aber eher zur Individualkommunikation oder Kommunikation mit den direkten Peers. Als Medium, um auf dem Laufenden zu bleiben und über die engeren Peers hinaus ist Facebook nach wie vor wichtig.

    Instagram, Snapchat usw.. haben große Wachstumsraten, aber die absoluten Zahlen sind im Vergleich zu Facebook noch gering. Hier steht es 28 Millionen vs. 4 Millionen (Ende 2014), wobei von letzteren nur knapp eine Million mindestens einmal monatlich aktiv sind.

  3. Hallo in die Charlotte – super interessante Ergebnisse. Werde ich demnächst als Best Practice integrieren in verschiedene Workshops, wenn ich darf! Liebe Grüße aus Hamburg, Carina

  4. Jörg Hoewner sagt:

    Aber klar doch.

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