K12

Licht und Schatten: Wearables stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen

5. Juni 2014 · von Diana Diroll-Biergans · 1 Kommentar

Viel Wirbel gibt es zurzeit um Google Glass: Die innovative Datenbrille zählt aktuell zu den Top-Themen in den Medien. Dabei ist das Brillenwunder nur ein Beispiel für die vielen Formen tragbarer Computertechnologie mit Internetanschluss. Die sogenannten „Wearables“ verändern unser Leben und eröffnen bisher unbekannte Möglichkeiten in Kommunikation und Marketing. Welche Chancen und Risiken durch die neuen Technologien entstehen können, hat K12 zusammen mit LICHTE Rechtsanwälte und der Kommunikationsagentur navos in einem White Paper aufgezeigt: „Wenn die Brille zur Waffe wird. Chancen und Risiken von Wearable Computing in der Kommunikation.“ Warum Wearables aus juristischer Sicht eine besondere Herausforderung für Unternehmen darstellen, erklärt Dr. Oliver Schäfer, Experte für Urheber-, Medien- und IT-Recht von LICHTE Rechtsanwälte, im Interview.

Dr. Oliver Schäfer, Rechtsanwalt

Herr Dr. Schäfer, Wearables werfen ganz neue Fragen auf, zum Beispiel in punkto Datensicherheit. Bedeutet das, wir brauchen neue Gesetze?

Dr. O. Schäfer: Nein, denn durch Wearables ergeben sich keine grundlegend neuen rechtlichen Probleme. Letztendlich geht es dabei um Ansprüche, für die es bereits rechtliche Regelungen gibt: Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, Rechte am eigenen Bild oder das Urheberrecht. Auch andere neue Technologiethemen, wie etwa Domains, ließen sich bisher – jedenfalls im Zivilrecht – recht gut in die bestehenden Gesetze integrieren.

Welche Probleme kommen dann auf uns zu?

Dr. O. Schäfer: Wearables fordern immer komplexere Ansätze, um rechtliche Normen durchzusetzen. So ist es zum Beispiel jederzeit möglich, dass ich über die Straße gehe und mich ein vollkommen Unbekannter mit Google Glass filmt und die Aufnahmen von mir weiterverwendet. Teilweise bemerke ich gar nicht, dass ich gerade gefilmt werde – das ist ein großes Problem. Im Grunde genommen werden meine Persönlichkeitsrechte verletzt. Aber um meine Rechte einzufordern, müsste ich erst einmal wissen, dass es passiert. Was die Sache zusätzlich verkompliziert: Die Grenzen zwischen privater und geschäftlicher Nutzung verschwimmen.

Inwiefern?

Dr. O. Schäfer: Es ist faktisch ein großer Unterschied, ob mich das Kamerateam eines Fernsehsenders oder ein Unbekannter filmt. Im ersten Fall bin ich mir der Aufnahmesituation bewusst und kenne den konkreten Ansprechpartner, gegen den ich meine Ansprüche durchsetzen kann, wenn meine Rechte verletzt werden sollten. Bei einer Aufnahme durch Google Glass im Vorbeigehen geht das nicht, da ich gar nicht weiß, ob ich gefilmt werde, wer mich gerade filmt und wofür derjenige die Aufnahmen von mir verwendet. Wearables selbst unterscheiden nicht zwischen Dienst und Freizeit des Trägers, so dass Daten und Bilder in beiden Situationen erfasst werden können. Für den Träger und sein Gegenüber kann diese Grenze bei der Datenerfassung ebenfalls nicht mehr trennscharf gezogen werden.

Wie können Unternehmen sich auf diese Situation vorbereiten?

Dr. O. Schäfer: Unternehmen sollten überlegen, welche Interessen und welches Schutzbedürfnis sie haben und wie sie diese intern und extern rechtlich und tatsächlich umsetzen können. Um eine passende Lösung zu finden, müssen sich Firmen bewusstmachen, welche Risiken ihnen drohen und was die Folgen wären, wenn sie ihre Rechte nicht schützen würden.

Welche Risiken können das sein?

Dr. O. Schäfer: Zum Beispiel, dass geheime Industrieanlagen fotografiert und veröffentlicht werden oder dass andere Betriebsgeheimnisse veröffentlicht oder weitergegeben werden. In solchen Fällen sind Fotoapparate oder Mobiltelefone mit Kamera ohnehin meist auf dem Betriebsgelände verboten. Wenn Mitarbeiter sich nicht an das Verbot halten, drohen ihnen Sanktionen. Bei Besuchern kann sich der Werkschutz darum kümmern, unerwünschte Geräte einzusammeln. Aber schwierig wird es, wenn ein Journalist zur Betriebsbesichtigung Google Glass mit Sehstärke trägt. Ihn einfach nach Hause zu schicken, ist da natürlich keine Lösung. Für Fragen wie diese brauchen Unternehmen Regelungen.

Welche Themen sind außerdem relevant?

Dr. O. Schäfer: Generell der Schutz von Daten oder Inhalten. Zum Beispiel sind Unternehmen dazu verpflichtet, personenbezogene Mitarbeiter- und Bewerberdaten zu schützen. Oder wenn es darum geht, die Inhalte einer internen Besprechung geheim zu halten. Auch große Veranstaltungen, gerade im kulturellen Bereich, können zum Problem werden. Wenn über 1.000 Menschen zusammenkommen, ist es schwer durchzusetzen, dass keine Aufnahmen gemacht und verbreitet werden. Ebenfalls ist zu klären, wie Unternehmen mit personenbezogenen Daten umgehen, die ihre Mitarbeiter mit dienstlich verwendeten Wearables erfasst haben.

Welche Auswirkung hat der Einsatz von Wearables zum Beispiel bei Marketing-Aktionen?

Dr. O. Schäfer: Im Grunde genommen gibt es keinen Unterschied, ob man bei einer Foto-Aktion ein Bild einsendet, das mit Google Glass oder mit einer herkömmlichen Kamera gemacht wurde. Rechtlich gesehen kommt es nicht darauf an, womit etwas aufgenommen wurde, sondern ob der Fotografierte damit einverstanden ist. Nach dem Persönlichkeitsrecht kann jeder selbst bestimmen, ob Bilder von ihm veröffentlicht werden. Das betrifft auch das Urheberrecht. Für beides gibt es natürlich Ausnahmen, aber an diese Vorgabe müssen sich Unternehmen halten und gegebenenfalls Aufklärung betreiben und Einwilligungen einholen.

Wir haben jetzt über die Probleme gesprochen, die Wearables mit sich bringen. Können Unternehmen von dieser Technologie auch profitieren?

Dr. O. Schäfer: Wearables bieten viele Funktionen, die für Unternehmen interessant sind. So sind die über Wearables erfassten Gesundheitswerte für Krankenversicherungen sicherlich höchst aufschlussreich. KFZ-Versicherungen bieten schon Tarife an, bei denen Versicherte ihren Fahrstil per GPS überwachen lassen. Wer besonders sicher fährt, wird etwa mit einen Monat Versicherungsschutz gratis belohnt. Und GPS-Sender und Mobiltelefone können im Ernstfall Leben retten, indem sie zum Beispiel bei einem Chemieunfall anzeigen, ob sich noch Personen in dem Gebäude befinden. Auch Einsatzkräfte können im Rettungsfall damit besser überwacht und gesichert werden. Bildübertragende Geräte wie Google Glass bieten auch bei der Fernwartung von Anlagen große Einsparpotentiale, weil nicht immer ein Experte vor Ort sein muss. Dabei sollte man sich natürlich immer im Klaren darüber sein, wer alles auf die übertragenen Daten Zugriff hat. Gerade kostenlose cloudbasierte Dienste stellen Unternehmen vor ernsthafte Sicherheitsprobleme.

Autor: Diana Diroll-Biergans

Diana Diroll-Biergans, Jg. 1980, ist Redakteurin bei K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation in Düsseldorf. Redaktionelle Erfahrung hat die Diplom-Germanistin bei verschiedenen Medien wie der Tageszeitung Fränkischer Tag, dem Magazin Shape, der Pressestelle der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und in der Kommunikationsbranche gesammelt.

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