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„Online Conversations“: Das Interview mit Mark Pohlmann zu „Kommunikation 2.0“, „mavens“ und neuen Jobs

13. Dezember 2006 · von Jörg Hoewner · Keine Kommentare

Autor: Jörg Hoewner

Vor einigen Tagen habe ich ein kurzes Statement („Agentur für Kommunikation 2.0 startet“) zum Start von SinnerSchrader Online Conversations formuliert.

Nun konnte ich dem Leiter der neuen Unit Mark Pohlmann (auch als der Themenblogger unterwegs) via Skype ein paar Fragen zur Idee von SinnerSchrader Online Conversations stellen, worüber ich mich sehr freue.

Mark und ich haben uns vor mehreren Jahren auf einem Kundenworkshop bei der BASF (im Auftrag der Bertelsmann Stiftung) zum Thema Onlinekommunikation kennengelernt und haben uns seitdem regelmäßig über unsere Vorstellungen von Onlinekommunikation, PR und Marketing in einer sehr inspirierenden und vielleicht auch befruchtenden Weise austauschen können. Auf jeden Fall bin ich gespannt auf seine Vorstellungen in Bezug auf „Online Conversations“. Los gehts.

(Mein Skype-Name ist aus biographisch-historischen Gründen übrigens „joergcybulski“…)

joergcybulski 13.12.06 20:03: Ok: Ihr habt vor einigen Tagen eine neue Unit aus der Taufe gehoben „SinnerSchrader Online Conversations“. Was hat es damit auf sich und warum braucht man dafür eine neue Unit?

Mark Pohlmann: Hallo Jörg, erstmal Danke für das Interesse an unserer neuen Unit.
SinnerSchrader ist bislang nicht mit Kommunikationsleistungen am Markt vertreten gewesen, deswegen wäre es schwer gewesen, diese an eine bestehende Unit anzuhängen.

Und noch bin ich eine 1-Mann-Unit, ich bin ja erst dabei, diese aufzubauen – sagte ich schon, daß ich Mitstreiter suche? Und als einzelne Person wäre ich mit dem Thema in einer anderen Abteilung untergegangen. Mit einer Eingründung fühle ich mich viel wohler, weil ich die Dienstleistung jetzt genau so schneidern kann, wie ich dies für richtig halte.

joergcybulski: Das bedeutet, dass „Online Conversations“ sich auch wirklich als Kommunikationsagentur versteht?

Mark Pohlmann: Ja, wir wollen die Unternehmen auf dem Weg raus aus dem Monolog rein in den Dialog begleiten.
Dazu nutzen wir alle Instrumente aus PR und Marketing, je nachdem, wie sie sinnvoll sind.
Als Teil einer Interactive Agentur sind wir aber eben auch in der Lage, die Infrastruktur für den Dialog aufzubauen. Dies ist ein großes Plus.

joergcybulski: Klingt so, als ob Unternehmens das bisher nicht machen. Zum normativen Selbstverständnis von Public Relations z.B. gehört ja auch immer das Zielmodell von „Two-sided symmetric communications“. Was unterscheidet diese Idee von „Online Conversations“ aus Deiner Sicht?

Mark Pohlmann: Der Unterschied ist die Zielgruppe der Kommunikation. PR und Marketing richten sich an professionelle Multiplikatoren – die PR arbeitet für Journalisten, das Marketing für die Anzeigenabteilung. Mit Online Conversations etablieren wir professionelle Kommunikation im nichtprofessionellen Umfeld.
Das Problem bislang ist das Selbstverständnis der Abteilungen. PR ist eine Stabstelle, die wenig Kontakt zu Kunden und ihren Meinungen hat. Das Marketing hingegen hat wenig Erfahrung mit Echtzeitkommunikation. Insofern halte ich das, was wir machen, wirklich für neu.

joergcybulski: Würdest Du „Online Conversations“ als Begriff für eine neue Kommunikationsdisziplin begreifen? Bzw. mit Eurer Gründung quasi prägen oder besetzen?

Mark Pohlmann: Das „Conversations“ halte ich für wirklich neu auch als Disziplin. Was wir wollen, ist ein richtiges Gespräch, und das ist nach vorne offen. Hier geht es um Kontrollverlust darüber, was ein Kunde aus einer Marke macht, wie er über sie und mit ihr spricht. Dafür fehlen die Vorbilder. Das Online ist mir eigentlich gar nicht besonders wichtig, weil Gespräche natürlich nicht nur online stattfinden. Das Internet hat aber zwei wichtige Innovationen für die Gesprächskultur gebracht. Zum einen sind sie transparent für alle geworden, zum anderen ist die Reichweite dramatisch gestiegen. In Blogs oder Foren verfolgen durchaus 1.000 Menschen und mehr diese Gespräche. Das hat es vorher nicht gegeben, und hier müssen die Unternehmen umdenken.

joergcybulski: Wie würdest Du die USP Eurer Agentur beschreiben? Wo liegt die? An der Mischung von Kommunikations-, Dialog und Interactive-know how?

Mark Pohlmann: Wir verstehen einfach sehr gut, wie sich die Kommunikation durch digitale Medien verändert. Kulturell, inhaltlich und technisch. Ob das aber eine USP ist – keine Ahnung. Andere Mütter haben auch hübsche Töchter. Den Namen Online Conversations haben wir auch nur gewählt, weil Edelman vor wenigen Monaten eine ähnliche Unit gegründet hat. Wir müssen in diesem Segment, wo PR und Marketing so stark zusammenfließen, erst einmal richtig Substanz aufbauen. Von daher ist mir eine USP gar nicht so wichtig. Wichtiger ist, daß die Unternehmen verstehen, was ihnen diese Art der Echtzeit-Kommunikation tatsächlich bringt.

joergcybulski: Ihr benutzt den Begriff „Mavens“ für Leute, die eine besondere Wertschätzung in ihrem Umfeld geniessen. In der Kommunikationswissenschaft sagt man dazu „opinion leaders“. Warum ein neuer Begriff? Wo ist der Unterschied?

Mark Pohlmann: Opinion Leader, Meinungsführer, Multiplikator, Evangelisten, Spreader, Fighter – Begriffe gibt es viele. Der Begriff Mavens soll deutlich machen, dass es hier um andere Menschen als für das Marketing gewohnt geht – es geht um Menschen, die durch das Internet erstmals ein Forum für ihr Expertenwissen bekommen haben, obwohl sie außerhalb dieses Fachthemas vielleicht nicht zwangsläufig zu den charismatischen Rampensäuen gehören.

joergcybulski: Wie versucht Ihr konkret, diese Mavens für Eure Kunden zu identifizieren?

Mark Pohlmann: Wir schauen uns an, wo über die Marke des Kunden gesprochen wird und wer die Inhalte dieser Gespräche terminiert. Das sind unsere Mavens. Das können Autoren von Blogs oder Foren sein, aber auch jeder Bereich aus der Offline-Welt. Natürlich gehören auch Journalisten weiter zu den wichtigsten Mavens. Wie gesagt macht das Internet es viel leichter als früher, diese Personen zu identifizieren. Haben wir sie gefunden, gehen wir auf diese Menschen zu und lassen sie erstmal einfach nur wissen, dass wir um ihre Wirkung wissen und gerne miteinander ins Gespräch kommen würden. Targeting ist für uns nicht das Ziel, sondern der Anfang der Arbeit. Wir zeigen, daß die Marken für sie aus der Deckung, aus der Passivität kommen. Diese Form der Anerkennung ist meist schon ein sehr bedeutsamer Schritt – für beide Seiten.

joergcybulski: Kann man sich diesen Prozess automatisiert vorstellen?

Mark Pohlmann: Nein.

joergcybulski: Ich vermisse übrigens noch Eure Website? Welche Services / Produkte / Leistungen werden dort beschrieben sein?

Mark Pohlmann: Schuster haben immer die schlechtesten Schuhe – das weißt du doch! Vorerst muß der themenblog als Propagandablatt herhalten. Glücklicherweise herrscht auch jetzt schon kein Mangel an Nachfrage. Für mich ist aktuell wichtig, die richtigen Projekte anzufassen und die richtigen Leute an Bord zu holen. Bevor wir den Service richtig skalieren können, wird es wohl noch ein paar Monate dauern. Solange hat auch der eigene Webauftritt noch Zeit.

joergcybulski: Es gibt also Kunden, zumindest potentielle? Welche Leistungen erbringt Ihr für die?

Mark Pohlmann: Ohja, Kunden gibt es. Ich arbeite schon seit Anfang des Jahres viel für das Empfehlungsportal Qype. Hier sind übrigens tatsächlich Blogger die Mavens. Und ich betreue Qype konzeptionell bei der Aufgabe, eine Community aufzubauen. Dann arbeite ich noch für den Media-Dienstleister nugg.ad, die das Prinzip von Adwords auf Banner übertragen wollen, und für Dawanda, ein Social-Commerce-Anbieter, bei dem auf den ersten Blick Handarbeiten verkauft werden, auf den zweiten aber eine Lebenseinstellung: zu wissen, von wem die Produkte stammen und wie sie produziert werden. Und dann sind da natürlich noch die vielen Bestandskunden von SinnerSchrader, die sich schon längst mit der Frage beschäftigen, wie sie effizient im Long Tail kommunizieren können. Die Sensibilität ist wirklich hoch für das Thema, alleine der Mut, es wirklich zu probieren, muß reifen.

joergcybulski: Ich bin beeindruckt… Ihr sucht frische Leute für Eure Unit. Was müssen die Kandidaten mitbringen?

Mark Pohlmann: Ein gewisses Verständnis für Auftragskommunikation und ein Gefühl für die digitale Welt. Schonmal gebloggt zu haben, zählt nicht rückwärts. Aber im Prinzip suche ich PR-affine Menschen, die Lust haben, neue Wege zu gehen und verstehen, wie großartig die Möglichkeiten vernetzter Kommunikation sind.

joergcybulski: Lieber Mark, viel Erfolg in Deiner neuen Aufgabe, vielen Dank für Deine Zeit und einen schönen Abend noch!

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Autor: Jörg Hoewner

Jörg Hoewner: Jg. 1969, ist Geschäftsführender Partner der K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation und Consultant für moderne Unternehmenskommunikation in Düsseldorf. Seit 1995 berät er Kunden im Bereich Online Relations / Online-PR und war damit einer der ersten Berater in Deutschland auf diesem Feld. In den vergangenen 20 Jahren hat Jörg Hoewner zahlreiche Kunden beraten, viele Unternehmen (darunter DAX30-Unternehmen) und mehrere Verbände. Darüber hinaus ist er als Referent aktiv und Autor zahlreicher Fachbeiträge – online, in Zeitschriften und Büchern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem Thema integrierte Kommunikation, deren Messbarkeit und der Auswirkung von Kommunikationstechnologien auf die interne und externe Unternehmenskommunikation. Kontakt: Jörg Hoewner (joerg.hoewner@k-zwoelf.com) – T. +49 (211) 5988 16 32.

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