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Twitter-Nachfolge: Wer macht das Rennen? Braucht es überhaupt eine Nachfolge?

2. Januar 2024 · von Joerg Hoewner · Keine Kommentare

Das Soziale Netzwerk „X“ (ehemals Twitter) war über die letzten Jahre DAS soziale Netzwerk zur politischen Kommunikation und zum öffentlichen Austausch zwischen politisch Aktiven, Entscheidungsträger:innen aus Wirtschaft und Gesellschaft und Multiplikator:innen aus dem journalistischen Bereich. Seitdem Elon Musk das Netzwerk im Oktober 2022 gekauft hat, hat er vielfältige erratische Entscheidungen getroffen, die das Vertrauen in die Zukunft des Netzwerks untergraben haben. Wodurch im öffentlichen Diskurs die Akzeptanz und der noch vorhandene Mehrwert des Netzwerks für die verbliebenen Nutzer:innen infrage steht. Nutzer:innen verlassen das Netzwerk, löschen ihre Accounts oder legen sie still, (große) Werbekunden wie z.B. Apple, IBM oder Disney fliehen so dass die Finanzierung von X in Frage gestellt wird.

Zudem ist die EU ist im Clinch mit X wegen wiederholter Verstöße gegen den Digital Services Act.

Noch ist das Netzwerk, gemessen an den Mitgliederzahlen, der größte Kurznachrichtendienst – aber die Suche nach Alternativen ist seit der Übernahme Musks im Gange. 

Lohnt es sich schon, X/Twitter-Accounts stillzulegen und ein neues Pferd zu satteln? Welche Pferde stehen im Stall?

Neben den älteren Netzwerken wie Facebook, Instagram und LinkedIn, werden als Twitter-Nachfolger vor allem die Netzwerke Threads, BlueSky und Mastodon gehandelt. 

LinkedIn oder Instagram?

Bei politisch Engagierten und Journalist:innen ist eine vermehrte Hinwendung zu den genannten Netzwerken zu beobachten. Während Instagram vor allem zur Kommunikation mit Bürger:innnen verwendet wird, findet sich auf LinkedIn eine wachsende Zahl von Entscheider:innen aus Politik, Wirtschaft, Medien, Gesellschaft. Insofern ist gerade dieser Kanal vielversprechend. Ob wir demnächst Live-Beiträge aus dem Bundestag mitlesen werden – das, was Twitter einst ausgezeichnet hat – wird sich jedoch erst noch zeigen müssen. Aktuell ist das Netzwerk ist eher darauf ausgelegt, längere Beiträge zu arbeits- und netzwerkbezogenen Themen zu transportieren. 

Die neuen Netzwerke Threads, BlueSky und Mastodon sind von der Funktionalität am ehesten mit X/Twitter vergleichbar. 

Threads: Ein Favorit?

Threads ist erst seit Dezember 2023 in der EU zugänglich, hat aber den Vorteil, dass ein Profil mit einem Instagram-Profil verknüpft ist und man seine Kontakte von Instagram in Threads importieren kann. Das verschafft Threads einen immensen Startvorteil, weil das bereits aufgebaute Netzwerk übertragen wird. 

Dadurch wächst es entsprechend stark und hatte Ende Dezember 2023 schon 104 Millionen Nutzer weltweit (zum Vergleich: Bei Twitter sind es über 300 Millionen).

Allerdings muss man hier sehen, dass auch nach dem Marktstart in Nordamerika Anfang Juli einige Wochen ein regelrechter Hype entstanden mit 100 Mio. Nutzer:innen innerhalb der ersten 72h, ein regelrechter Einbruch der Nutzerzahlen folgte (8 Mio. täglich aktive Nutzer:innen heute). Dies hing unter anderem mit dem langsamen Ausbau der Funktionalitäten der Plattform zusammen.

Ein weiterer dämpfender Aspekt ist, dass die Verantwortlichen von Meta, der Konzern hinter Threads, geäußert haben, dass sie die Plattform bewusst nicht als politisch relevante positionieren wollen. Denn Politik als Inhalt führt zu Polarisierung und einseitigen oder frontenverhärtenden Debatten ein.  Auch die Überwachung der Inhalte und die potenziellen Fake News mit politischem Bezug, die Aufwand erzeugen könnten, waren Gründe des Konzerns sich nicht mit diesem Zweck zu positionieren.

Kurzum: Das Netzwerk ist noch zu frisch, um zu sagen, dass es das Twitter-Erbe antreten wird. Basierend auf der Netzwerkgröße und dem -wachstum hat Threads von den drei Newcomern die größte Chance dazu.

Mastodon – zu komplex?

Mastodon, ein vom Deutschen Eugen Rochko im Jahr 2016 gegründetes dezentrales Mikroblogging-Netzwerk, hat sich als eine interessante Alternative zu herkömmlichen sozialen Medien etabliert. Es besteht aus einer Vielzahl von Servern, die eigenverantwortlich betrieben werden und miteinander interagieren, wobei es bis Dezember 2023 über 14 Millionen Nutzer:innen verzeichnete. In diesem Netzwerk können Nutzer sogenannte „Toots“ – Kurznachrichten mit bis zu 500 Zeichen – veröffentlichen, die kommentiert, geteilt und favorisiert werden können.

Ein wesentlicher Vorteil von Mastodon ist seine dezentrale Struktur, die eine größere Autonomie und weniger zentrale Kontrolle als herkömmliche Plattformen ermöglicht. Zudem bietet Mastodon mit seinen 500 Zeichen pro Nachricht mehr Raum als vergleichbare Dienste wie Twitter. Die Nachrichten werden chronologisch und nicht durch Algorithmen sortiert, was eine transparentere Kommunikation ermöglicht. Ein weiterer Pluspunkt sind die individuellen Privatsphäre Einstellungen und die Möglichkeit, Content Warnings für sensible Inhalte zu setzen.

Allerdings bringt Mastodon auch Nachteile mit sich. Die Auswahl eines Servers bei der Anmeldung kann für neue Nutzer:innen verwirrend sein. Die Finanzierung durch Freiwilligenarbeit und Spenden stellt zudem eine Herausforderung für die Skalierbarkeit und langfristige Stabilität des Netzwerks dar. Auch die Notwendigkeit, sowohl den Benutzernamen als auch den Server einer Person zu kennen, um mit ihr in Kontakt zu treten, kann als komplex empfunden werden.

Hinsichtlich der Zukunftsaussichten hat Mastodon als Open-Source-Projekt ohne Profit-Orientierung das Potenzial, weiter zu wachsen und eine bedeutende Rolle im Bereich der sozialen Medien zu spielen. Die wachsende Nutzerbasis deutet auf ein anhaltendes Interesse hin. Jedoch könnte die Abhängigkeit von der Gemeinschaft und Spenden eine kontinuierliche Herausforderung für die Weiterentwicklung und Erhaltung des Netzwerks darstellen. Im Vergleich zu Threads hinkt das Nutzerwachstum hinterher.

BlueSky – zu elitär?

BlueSky, initiiert 2019 von Jack Dorsey während seiner Zeit bei Twitter, ist eine US-basierte, textfokussierte Social-Media-Plattform. Die Plattform, die sich aktuell in der Beta-Phase befindet und nur für eingeladene Nutzer zugänglich ist, wird als „Twitter-ähnlich“ beschrieben und ist über Webbrowser und Mobile-Apps erreichbar. Aktuell zählt das Netzwerk zwei Millionen Nutzer:innen und bildet damit das Schlusslicht in der Liste der Alternativen.

BlueSky bietet eine ähnliche Erfahrung wie das alte Twitter, ermöglicht aber eine dezentralisierte Kommunikation. Die begrenzte Verfügbarkeit durch Einladungscodes hat zu einer erhöhten Nachfrage und einem gewissen Hype geführt. Die Plattform erlaubt eine differenzierte Darstellung von Inhalten und zieht Nutzer:innen an, die nach Alternativen zu den etablierten sozialen Medien suchen.

Allerdings ist die Plattform noch in der Entwicklung, mit vielen versprochenen Funktionen, die noch nicht realisiert sind. Ihre Abhängigkeit von Risikokapital und das gewinnorientierte Modell stellen eine Herausforderung für die Unabhängigkeit und den idealistischen Anspruch dar. Die Notwendigkeit eines Einladungscodes schränkt den Zugang für die breite Öffentlichkeit ein.

BlueSky ist momentan vor allem in der Nische der Medienschaffenden bzw. digitalen Elite populär und könnte für diese Nutzergruppe relevant und wertvoll werden. 

Wie soll man damit umgehen?

  • Noch sind viele politische Entscheidungsträger:innen, Journalist:innen etc. auf X/Twitter aktiv – daher ist es sinnvoll, dieses Netzwerk weiter kommunikativ zu nutzen. Skeptisch sehen wir das Schalten von Werbung, um das Netzwerk nicht finanziell zu unterstützen.
  • Ob es Sinn macht, Inhalte auf LinkedIn oder andere Plattformen zu verlagern, hängt von den Inhalten ab. Auf jeden Fall prüfen oder besser: testen.
  • Von den drei „Newcomern“ hat Threads am ehesten das Potential, die Twitter-Nachfolge anzutreten – trotzdem lohnt es sich, die Lage zu beobachten und abzuwarten.
  • Profilnamen und Account-Handles schon mal sichern!

Autor: Joerg Hoewner

Jörg Hoewner: Jg. 1969, ist Geschäftsführender Partner der K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation und Consultant für moderne Unternehmenskommunikation in Düsseldorf. Seit 1995 berät er Kunden im Bereich Online Relations / Online-PR und war damit einer der ersten Berater in Deutschland auf diesem Feld. In den vergangenen 20 Jahren hat Jörg Hoewner zahlreiche Kunden beraten, viele Unternehmen (darunter DAX30-Unternehmen) und mehrere Verbände. Darüber hinaus ist er als Referent aktiv und Autor zahlreicher Fachbeiträge – online, in Zeitschriften und Büchern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem Thema integrierte Kommunikation, deren Messbarkeit und der Auswirkung von Kommunikationstechnologien auf die interne und externe Unternehmenskommunikation. Kontakt: Jörg Hoewner (joerg.hoewner@k-zwoelf.com) – T. +49 (211) 5988 16 32.

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