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Bürokratieabbau: Beginnen wir mit der Sprache!

8. Juli 2025 · von Maike Liess · Keine Kommentare

Es war einmal ein Bürger, der einen Antrag stellte. Doch statt einer Antwort erhielt er ein Schreiben, das so klang: „Im Rahmen der durchzuführenden Maßnahmen erfolgt die Prüfung der Antragsunterlagen zwecks weiterer Bearbeitung.“ Der Bürger las, las erneut und fragte sich: Wurde sein Antrag nun angenommen, abgelehnt oder gar in ein Paralleluniversum versetzt?

Willkommen in der Welt der Verwaltungssprache, wo Verben passiv sind, Substantive dominieren und Klarheit ein Fremdwort ist. Hier wird nicht gehandelt, sondern „Prozesse werden implementiert“ und „Vorgänge realisiert“. Der Mensch verschwindet hinter „Personen“, und Verantwortung wird zu einer diffusen Größe, die irgendwo zwischen den Zuständigkeiten verloren geht. In dieser Welt wird nicht einfach entschieden, sondern „Maßnahmen werden eingeleitet“.

Stochern im Nebel statt klarer Aussage

Doch warum dieser sprachliche Nebel? Juristische Texte, die Grundlage der Verwaltungsarbeit, müssen präzise, eindeutig und widerspruchsfrei sein. Sie sollen alle Eventualitäten abdecken und dabei neutral bleiben. Das ist nachvollziehbar. Aber müssen Behörden diesen Stil wirklich in jede E-Mail, jeden Bescheid und jedes Formular übernehmen?

Gesetze und Verwaltungshandeln sind für Menschen gemacht. Dort, wo sie wichtig für unseren Alltag werden, müssen sie übersetzt werden, damit Menschen sie auch verstehen. Diese Übersetzungsleistung ist aufwändig. Sie lohnt sich aber, denn so reflektieren die Verantwortlichen in den Behörden, was ihr Tun für die Normalbürgerinnen und Normalbürger bedeutet.

Das wäre ein Einstieg in einfachere Prozesse in der Verwaltung. Denn unsere Sprache hat direkte Auswirkungen auf unser Denken und unsere Realität. Eine Verwaltung, die verständlich kommuniziert, zeigt Respekt und schafft Vertrauen. Und vielleicht, nur vielleicht, wird dann aus dem Bürger, der einst ratlos vor seinem Bescheid stand, jemand, der sagt: „Ich verstehe.“

Wie wäre es also, wenn Ämter sich daran hielten, was sich jedes gute Unternehmen auf die Fahnen schreibt: Die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen und dies auch gut zu vermitteln. Vielleicht wäre ein Lernen von der Wirtschaft ein erster Schritt zu Bürokratieabbau und mehr Bürgerzufriedenheit.

Bürokratiemonster breiten sich aus

Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Selbst im Geschäftsleben orientieren sich immer mehr Menschen am Verwaltungsjargon der Amtsstuben. Die sprachlichen Bürokratiemonster schleichen sich längst in unseren Alltag, in dem wir plötzlich alles „implementieren“ und „organisieren“. Auch hier wollen wir uns für alle Fälle absichern. Oder, um eine beliebte Chat-GPT-Phrase zu bedienen: In einer immer komplexeren und dynamischeren Welt suchen wir Halt in einer bürokratischen Sprache, die vermeintliche Sicherheit und Professionalität vermitteln soll. Wir können aber die Komplexität der Welt nicht auflösen, indem wir uns in unkonkrete Phrasen retten. Das schafft nur Distanz, verunsichert und führt zu Missverständnissen.

Es gibt Apps, die ganze Sprachen in Sekunden erfassen und übersetzen. Doch was hilft das, wenn wir selbst nicht mehr verstehen, was wir in unserer Muttersprache ausdrücken wollen? Es ist an der Zeit, Klartext zu reden. Nicht nur, weil es einfacher ist, sondern weil es die Nähe zum Menschen herstellt. Wir dürfen Haltung zeigen und sollten Verantwortung selbstbewusst übernehmen – auch sprachlich. Es könnte sein, dass wir dadurch zu neuen, besseren Lösungen kommen – nicht nur in der Verwaltung.

Autorin: Maike Liess

Maike Liess ist Redakteurin bei K12 - Agentur für Kommunikation und Innovation in Düsseldorf. Nach Studium und 10 Jahren als freie Autorin in der Unternehmenskommunikation erkundet sie hier seit Juli 2012 unter anderem die Möglichkeiten des Corporate Publishing.

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