K12
Das Ende von Social Media

Buchtipp: „Das Ende von Social Media“ von Dominik Ruisinger

13. August 2024 · von Joerg Hoewner · Keine Kommentare

Kurzverdikt: Sehr lesenswert.

Spoiler: Es geht nicht um das Ende von Marketing / Kommunikation in / mit Social Media bzw. den Plattformen, die wir mit dem Begriff assoziieren.

Ja, der Titel ist aufmerksamkeitsstark. Aber um so wichtiger war mir, mich mit den Thesen in dem Buch auseinanderzusetzen. Und Dominik Ruisinger habe ich als Autor von guten Fachbüchern abgespeichert, schon 2007 hatten wir hier eine Buchbesprechung zu „Online Relations“.

Worum geht es darin? Vor allem um das „Soziale“ in Social Media, d.h. Ausgangspunkt ist die (nachvollziehbare) These, dass sich Social Networks, wie wir sie ursprünglich kennengelernt haben, weg von der Vernetzung von Menschen (Freunde, Familie, Geschäftsbeziehungen) hin zu inhaltszentrierten Plattformen entwickelt haben, bei denen es vor allem darum geht, Menschen durch den Konsum von Inhalten lange auf den Plattformen zu halten. Also weg von „Ich gucke mal, was mein Schulfreund gepostet hat“, hin zu Videos, von denen die Plattform xy glaubt, dass sie mich mehr interessieren. Und das lässt sich auch nachweisen, denn nur noch ein kleiner Teil der Inhalte, die die Nutzer sehen, stammt aus dem Netz und so gut wie kein organischer Content mehr von Kanälen, denen man folgt.

Das ist im Grunde nicht neu, aber gut finde ich die überzeugende Herleitung inklusive der Untermauerung der Thesen mit Zahlen und Fakten.

Hier die Kernpunkte:

  • Mit der Idee der sozialen Netzwerke ist der sogenannte Social Graph entscheidend dafür, welche Inhalte mir ausgespielt werden.
  • Inhalte statt Personen: Die Bedeutung des Social Graph hat in den letzten Jahren abgenommen, vielmehr dominieren in den persönlichen Newsfeeds Inhalte, zu denen die Nutzer eine hohe Affinität („Interest Media“) und ein hohes Engagement haben – das sind meist Quellen, die stark personalisiert sind (Influencer etc.) oder emotionalisieren. Inhalte aus dem Netz werden dementsprechend seltener ausgespielt, mit der Folge, dass auch die Motivation der User sinkt, eigene Inhalte zu generieren.
  • Ein extremes Beispiel, an denen sich auch Meta ein Beispiel genommen hat, ist TikTok: Hier spielt das Netzwerk nur eine geringe Rolle, ausgespielt wird das, was inhaltlich affin ist.
  • Parallel dazu gehen organische Reichweiten von Unternehmenskanälen stärker zurück – sie sind heute quasi nicht-existent (siehe z.B. Widely Used Content Report oder The Evolution of your LinkedIn-Feed) – mit der Folge, dass Unternehmen und Organisationen auf Paid Social / Sponsored Content setzen müssen.
  • Dazu kommt, dass die privaten Austausche zunehmend in die private Räume – Messenger-Plattformen, Gruppen etc. – ausweichen. Das „Social“ wird zu „Dark Social“.
  • Wenn jetzt noch mehr synthetische Inhalte und KI-Influencer um Aufmerksamkeit buhlen, wird der Raum immer enger.
  • Es gäbe interessante Networks, die das „Soziale“ wieder beleben wollen, diese sind allerdings eher was für Nerds, siehe Mastodon, BlueSky und Co. oder für sehr eng gefasste Zielgruppen.

So weit die Vogelperspektive. Eine einfache Lösung gibt es nicht für Unternehmen, sondern die Empfehlung von Ruisinger ist, sich stärker zurückbesinnen auf „Owned“ und „Earned“-Kanäle, d.h. auf die Instrumente der integrierten Kommunikation. Das klingt nicht sexy, aber ist eine logische Konsequenz. Plus, er sagt ja nicht, dass Unternehmen sich nicht mehr auf den relevanten Plattformen engagieren sollen, aber er plädiert für eine andere Ausrichtung hin zu mehr Vernetzung mit anderen Kanälen und eine Verlagerung von Energien.

Mein Take? Ich kann die Argumentation nachvollziehen und sehe in der Argumentation viele valide Punkte, allerdings sehe ich auch, dass wir über LinkedIn, Instagram und Co immer noch viele Leute erreichen können, die wir über alternative Wege viel, viel schlechter erreichen können, weil sie eben – wie Websites, Publikationen usw. – viel „Pull“-abhängiger sind als Social. Social Media-Marketing ist nicht am Ende, es ändert sich nur. Vielleicht sollten wir den Begriff „Social“ einfach streichen. Nennen wir es besser „Content Marketing“.

Das Buch ist gut lesbar, ansprechend gestaltet und bei knapp 200 Seiten gut für eine Wochenendlektüre.

Autor: Joerg Hoewner

Jörg Hoewner: Jg. 1969, ist Geschäftsführender Partner der K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation und Consultant für moderne Unternehmenskommunikation in Düsseldorf. Seit 1995 berät er Kunden im Bereich Online Relations / Online-PR und war damit einer der ersten Berater in Deutschland auf diesem Feld. In den vergangenen 20 Jahren hat Jörg Hoewner zahlreiche Kunden beraten, viele Unternehmen (darunter DAX30-Unternehmen) und mehrere Verbände. Darüber hinaus ist er als Referent aktiv und Autor zahlreicher Fachbeiträge – online, in Zeitschriften und Büchern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem Thema integrierte Kommunikation, deren Messbarkeit und der Auswirkung von Kommunikationstechnologien auf die interne und externe Unternehmenskommunikation. Kontakt: Jörg Hoewner (joerg.hoewner@k-zwoelf.com) – T. +49 (211) 5988 16 32.

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