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Digital Ethnography: Ethnographisches Storytelling // Erlebbarmachen von Kultur

8. Juli 2013 · von Jörg Hoewner · Keine Kommentare

Trotz des folkloristischen Covers wollte mich mit „Digital Ethnography“ nicht entgehen lassen, ich hatte gehofft, mit dem Buch das Feld „Netnography“ noch etwas weiter beleuchten zu können. Aber in Unterberg / Zorn, zwei Anthropologinnen an der Universität Florida / Orlando, meinen mit „Digital Ethnography“ was ganz anderes.

Die beiden Autoren beleuchte, inwieweit Storytelling mit digitalen Medien bei ethnographischen und kulturwissenschaftlichen Aufgabenstellungen helfen kann.

Dabei verläuft der Einstieg in das Thema etwas verwirrend, weil der Leser direkt auf der ersten Seite mit einem Projekt der Autoren – PeruDigital (http://www.perudigital.org)  – konfrontiert wird, in dem User in einer interaktiven / immersiven Anwendung peruanische Folklore mit Schwerpunkt peruanische Feste durch Fotos, Interviews, Animationen, Feldnotizen usw. nahegebracht wird. So weit, so schön. Aber am Anfang der Darstellung erschloss sich mir nicht, was an PeruDigital – abgesehen vom anthropologischen Thema – so Besonderes ist bzw., warum das Projekt so beispielhaft für „Digitale Ethnographie“ ist.

Dies erschließt sich erst etwas später (S. 28-41). Bei PeruDigital handelt es sich nach Unterberg / Zorn um ein Beispiel für Digital Ethnographic Storytelling (S. 20), in dem über die multimediale Darstellungsformen der kulturelle Kontext reichhaltig beschrieben und somit nacherlebbar gemacht wird. In der Ethnographie gibt es schon immer den Ansatz, Kultur durch das Anfertigen von Beschreibungen darzustellen. Der Klassiker unter den Ethnographen, Clifford Geertz, nannte diese Art der ethnographischen Beschreibung „Dichte Beschreibung“. Mit „Dichter Beschreibung“ soll sichergestellt werden, dass aus der ethnologischen Beobachtung einerseits möglichst viele Beobachtungen erfasst und dokumentiert werden, andererseits soll darüber das Beobachtete einsortiert und die eigene Rolle bei der teilnehmenden Beobachtung reflektiert werden. Insofern ist das Digital Ethnographic Storytelling eine moderne Fortsetzung der klassischen „Dichten Beschreibung“.

Spannender finde ich ein zweites Projekt in dem Buch, das Projekt Folkvine von Nicario Jimenez (die heutigen Inhalte der Website stimmen nicht mit der Beschreibung im Buch überein). Hierbei geht es um einen kollaborativen Ansatz, bei dem Mitglieder aus der zu beschreibenden Kultur am Entstehungsprozess der Anwendung aktiv mitarbeiten. Hierbei wird über den Diskurs über Darstellungsweisen, über Symbole, über Geschichten das Dargestellte im Geertz´schen Sinne verdichtet. Methodisch lässt sich natürlich kritisieren, dass bei diesem „Partizipativen Design“ unerwünschte Aspekte vielleicht eher ausgeblendet werden, da die kritische Distanz in dieser Form der Selbstbeschreibung verloren geht.

Bei der Vorgehensweise gibt es interessante Parallelen zu anderen Workshop-Methoden, wie man sie aus der Kommunikations- oder Change-Beratung her kennt („Male Dein Unternehmen“). Denkt man das noch einen Schritt weiter, könnte man überlegen, inwieweit so ein „Multimedia-Worldbuilding“ dabei helfen kann, auch Unternehmenskulturen erlebbar zu machen oder zu dokumentieren.

Die Frage ist, ob Aufwand und Erkenntnisgewinn in einem guten Verhältnis zueinander stehen. Und ob man das in dieser Form überhaupt braucht.

Natalie M. Unterberg / Elayne Zorn (2013): Digital Ethnography. Anthropology, narrative, and new media. University of Texas Press, Austin.

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Autor: Jörg Hoewner

Jörg Hoewner: Jg. 1969, ist Geschäftsführender Partner der K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation und Consultant für moderne Unternehmenskommunikation in Düsseldorf. Seit 1995 berät er Kunden im Bereich Online Relations / Online-PR und war damit einer der ersten Berater in Deutschland auf diesem Feld. In den vergangenen 20 Jahren hat Jörg Hoewner zahlreiche Kunden beraten, viele Unternehmen (darunter DAX30-Unternehmen) und mehrere Verbände. Darüber hinaus ist er als Referent aktiv und Autor zahlreicher Fachbeiträge – online, in Zeitschriften und Büchern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem Thema integrierte Kommunikation, deren Messbarkeit und der Auswirkung von Kommunikationstechnologien auf die interne und externe Unternehmenskommunikation. Kontakt: Jörg Hoewner (joerg.hoewner@k-zwoelf.com) – T. +49 (211) 5988 16 32.

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