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Web Summit: Wo die Zukunft die Gegenwart ist

12. November 2018 · von Jo Barbara Volkwein · Keine Kommentare


70.000 Besucher aus über 159 Ländern, mehr als 1.200 Speaker und 1.800 Start-Ups – der Web Summit in Lissabon ist die größte Technologie-Konferenz der Welt. Dreieinhalb Tage lang dreht sich in der Hauptstadt Portugals alles um die neuesten Technologien, digitale Trends und Innovationen. „Where to next?“. Ein Erfahrungsbericht.

Web Summit in Portugals Hauptstadt bis 2028

Lissabon wirkt souverän-gelassen. Die Registrierung für den Web Summit ist bereits bei Ankunft am Flughafen möglich. Um die Menschenmassen vier Tage lang zur Altice Arena im Nordosten des Stadtzentrums zu befördern, wird der öffentliche Nahverkehr kontrolliert gesteuert. Hinweisschilder an allen Ecken weisen den Besuchern den richtigen Weg. Erst seit zwei Jahren ist die 500.000-Einwohner-Stadt Gastgeber des Web Summits – und wird es weitere zehn Jahre sein, wie Paddy Cosgrave, Mitgründer der Konferenz, am Eröffnungsabend der diesjährigen Veranstaltung verkündet.

Bühnen, die die Online-Welt bedeuten

In der Altice Arena und den nebenstehenden Messehallen dann die übliche Reizüberflutung, die ein Event dieser Art und Größe wohl immer mit sich bringt. Auf mehr als acht Bühnen werden „all things digital“ thematisch kategorisiert präsentiert: von Content und Social Media Marketing auf der Bühne „ContentMakers“ über „Auto/Tech & TalkRobot“ und „MoneyConf“, wo die Zukunft des Finanzwesens diskutiert wird, bis „FullSTK“ für Entwickler ist hier alles dabei. Als Besucher ist man gut beraten, sich nicht zu viel vorzunehmen – die Wege sind oft lang, die Zuschauerräume manchmal voll, und der Kopf innerhalb kürzester Zeit nach so viel Input sowieso. Denn die Vorträge dauern im Durchschnitt nur 15 bis 20 Minuten, weitestgehend ohne Pausen dazwischen. Umso überraschender, wie viel inhaltliche Tiefe viele der Beiträge trotz ihrer kurzen Dauer haben.

Vermeintlich neue Technologien im Hier und Jetzt

Aus technologischer Sicht wird dem Besucher schnell klar: Die Zukunft ist hier. Virtual und Augmented Reality sowie Artificial Intelligence sind längst keine Buzzwords und erst recht keine Trends mehr, denen Unternehmen hinterherjagen, nur um am Puls der Zeit zu sein. Start-Ups und Big Player gleichermaßen präsentieren auf dem Web Summit ihre praxiserprobten Use Cases mit diesen Technologien und ordnen sie auf Gartners Hype-Zyklus auf dem besten Weg zum Produktivitätsplateau, zur Normalität ein.

Das Internet: Ein guter Ort?

Einig sind sich viele der Redner auch, dass der Fokus noch stärker auf die Themen Verantwortung, Ethik und Menschlichkeit gerichtet werden muss. Wie schaffen wir es, in einer Online-Welt, voller Fake News und Hate Speech, Vertrauen zurückzugewinnen? Ist das Internet überhaupt noch ein guter, sicherer Ort, und wenn ja, wie können wir dafür sorgen, dass dies so bleibt?

Sir Tim Berners-Lee, der Begründer des World Wide Webs, hat darauf eine deutliche Antwort: Er ruft bei seiner Eröffnungsrede die Besucher und Unternehmen auf, sich an seiner Initiative #Fortheweb zu beteiligen. Das Manifest, das im Mai 2019 veröffentlicht werden soll, enthält Prinzipien zu grundlegenden Rechten und Pflichten für Nutzer und Lenker des Internets. Unterzeichner – in erster Linie politische Akteure und Technologie-Firmen, verpflichten sich, dafür Sorge zu tragen, dass das Internet wieder ein besserer Ort wird. Ein Ort, der allen einen bestimmten Nutzen bringt, „egal wer sie sind oder wo sie leben“, denn: „The more we improve innovation with the WWW, the more we increase the depth of the digital divide.“

Man könne das Internet nicht als alleinigen Ursprung sozialer Probleme abtun, aber es würde sie sicherlich begünstigen und verstärken, schließt UN-Generalsekretär Antonio Guterres daran an. Seine Rede adressiert vor allem – wenngleich er sie nicht namentlich erwähnt – die großen, einflussreichen Web-Unternehmen wie Google und Facebook.

Facebook glänzt durch Abwesenheit

Insbesondere Facebook steht auf der Konferenz im Kreuzfeuer der Kritik. Datenskandale, intransparente Kommunikation, mangelhaftes Vorgehen gegen Fake News und Hate Speech, die Zunahme von Paid-Inhalten in den Nutzer-Feeds, Begünstigung politischer Manipulation – nur ein Auszug der Vorwürfe, aus denen zu wenige Konsequenzen gezogen worden seien. Umso überraschender, dass das Social Network auf dem Web Summit vor allem durch Abwesenheit glänzt und die Bühnen vor dem vielleicht einflussreichsten Publikum der Welt nicht zu ihren macht. Einmal mehr verwunderlich vor dem aktuellen Hintergrund, dass Facebook in den jüngsten Quartalszahlen keinen Zuwachs mehr an täglich aktiven Nutzern im amerikanischen Heimatmarkt verzeichnen konnte.

Wohin wird die Reise gehen?

Es bleiben nach dem Web Summit also einige Fragen zurück: Welche nachhaltigen und wirksamen Lösungen wird Facebook schaffen, um der Enttäuschung seiner Nutzer entgegenzuwirken? Wie werden Unternehmen das volle Potenzial technologischer Entwicklungen ausnutzen und gleichzeitig soziologischen und ökonomischen Veränderungen effektiv begegnen? Welche neuen Technologien entwickeln und setzen Unternehmen ein, deren Fokus alleinig die Bedürfnisse der Nutzer sind?

„And in a world of well-trained bots, there are some tasks – of existential import – that are best to left to actual people“, heißt es auf dem Screen einer Präsentation.Der nächste Web Summit wird im Sinne von „Where to next?“ zeigen, ob ein Aufbruch in diese Richtung stattgefunden hat.

Autor: Jo Barbara Volkwein

Jo Barbara Volkwein ist Beraterin für digitale Kommunikation bei K12 - Agentur für Kommunikation und Innovation in Düsseldorf. Nach einem Journalistik-Studium sowie einem Studium der Kommunikationswissenschaft hat sie als Content und Community Managerin Erfahrungen in einer Beratung gesammelt. Bei K12 unterstützt sie Kunden, online effektiv zu kommunizieren. Ihr Fokus liegt hierbei auf der Entwicklung und Umsetzung von Social-Media-Strategien.

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