Vor einigen Wochen habe ich mit Klaus Burmeister, dem Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter von Z_punkt, ein Interview geführt, das auch in unserer aktuellen Publikation „Von der Spinnovation zur Sinnovation“ (zum Download geht’s hier) erscheint.
Z_punkt ist ein Beratungsunternehmen für Corporate Foresight. Letzte Woche fand deren zweite Konferenz aus dem Zyklus „Rethinking Business“ statt – wer’s verpasst hat, findet die Vorträge und Materialien (cool!) hier. Aber erstmal die Einschätzungen von Klaus Burmeister zum aktuellen Innovationsstand und-klima in Deutschland:
JH: Herr Burmeister, Sie postulieren keine neuen Trends, sondern übersetzen sie für die Wirtschaft, zum Beispiel in Ihren „15 Thesen für die Wirtschaft von morgen“. Die letzte dieser Thesen lautet: „Innovation heißt Selbstreflexion und kultureller Wandel. Wir brauchen ein Gemeinwesen, das Innovationskultur lebt – und auch das Scheitern kultiviert.“ Das klingt nach einem langen Weg für Deutschland. Sehen Sie bereits positive Ansätze?
KB: Selbstverständlich gibt es da positive Ansätze, aber wir haben da noch einen langen Weg vor uns. Sowohl in den Unternehmen, staatlichen Stellen als auch in den Universitäten ist klar geworden, dass wir uns ein einem harten Wettbewerb befinden. Entsprechend gibt es da Ansätze wie im Bildungsbereich Exzellenz-Center, Bildung von Clustern zum Beispiel im IT-Bereich in den neuen Bundesländern oder auch in NRW im Bereich Bio-Technologien, verstärkt gibt es Kooperationen in der mittelständischen Wirtschaft. Auf der anderen Seite muss man aber feststellen, dass das Thema Innovation noch viel zu eng gedacht wird, dass Konzepte wie „Open Innovation“, also die Öffnung von Unternehmen z.B. für Kunden oder Wissenschaft und andere Unternehmen, noch viel zu kurz kommen. Hoffnungsschimmer für die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands ist das, was sowohl wir von Z_punkt als auch DB Research in der Studie „Deutschland 2020“ als „Projektwirtschaft“ bezeichnen. Positiv ist, dass das Bewusstsein, dass weitere wichtige Schritte in Sachen Innovation anstehen, in den Unternehmen weitestgehend vorhanden ist – ich bin also verhalten optimistisch.
JH: Sie haben gerade das Thema „Open Innovation“ angesprochen – sind Sie da in Deutschland schon auf erste Beispiele gestoßen?
KB: Da wären zum Beispiel KFZ-Zulieferer wie Webasto, die gezielt Lead-User bei der Entwicklung von Produkten einbeziehen. 3M und Hilti sind weitere bekannte Beispiele für die frühzeitige Einbindung von Kunden. Mit dem Web 2.0 ergeben sich natürlich immer mehr Möglichkeiten – siehe „Spreadshirt“.
Auch im Social Commerce gibt es gute Beispiele, z.B. die Seite www.genusshandwerker.de, die den Slow-Food-Gedanken über ein ausgeklügeltes Logistik-Netz umsetzt. Hier können Lebensmittel höchster Qualität von Produzenten in mehreren europäischen Ländern in weniger als einer Woche zum Kunden geliefert werden, mit Frischegarantie. Die technologischen Möglichkeiten des Internet werden im Bereich „Open Innovation“ noch für einen gehörigen Schub sorgen. Mit Zunft AG (www.die-zunft.de) zeigt sich ein sehr interessanter Ansatz, der neben der virtuellen Vernetzung konkrete Zunftorte in Planung hat, die nicht nur LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability) ansprechen, sondern einen neuen Verkaufskanal eröffnen, die Creative Class aktivieren und einen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten.
JH: Aus welcher Richtung können wir mehr Innovationen erwarten: Aus den großen Unternehmen oder von den KMUs?
KB: Es gibt eine Studie (Venohr 2007), die belegt, dass gut 1000 Weltmarktführer innerhalb ihrer Branchen aus dem Mittelstand kommen. Weltmarktführer kann man nur als hoch innovatives Unternehmen sein, und etwa ein Drittel der Mittelständler zählt hier zu den Vorreitern in Sachen Innovation und arbeiten unter denselben Bedingungen wie die „Großen“. In Zukunft wird es jedoch verstärkt darum gehen, neue Kooperationen und Wertschöpfungswege zu finden, um den Kunden komplette Dienstleistungen anzubieten; einzelne Unternehmen werden das immer seltener leisten können. Auf den Weltmärkten machen Kooperationen zwischen KMUs und den „Großen“ immer mehr Sinn, und die kleineren Unternehmen sind traditionell im Vorteil, wenn es um Reaktionsschnelligkeit und Anpassungsfähigkeit geht. Hier müssten allerdings die Förderbedingungen und -strukturen so angepasst werden, dass die kleineren Unternehmen schneller eine gewisse kritische Größe erreichen und stärker einbezogen werden können.
H: Welche Rolle kann Corporate Foresight in mittelständischen Unternehmen bzw. KMUs spielen? Wie weit sind mittelständische Unternehmen da heute?
KB: Wir führen dazu gerade eine Studie durch, die noch ausgewertet wird (www.openforesight.de) – soviel steht aber schon fest: Das Bewusstsein für Corporate Foresight ist auch im Mittelstand vorhanden; es fehlt allerdings noch die passende Übersetzung bzw. Anpassung an mittelständische Strukturen; auch der Ausbau von personellen Kapazitäten ist häufig nicht möglich. Es gibt aber einen großen Bedarf an Unterstützung, Hilfestellung und Lernen. Das heißt: Wie kann man Mittelständlern helfen, ihre Probleme rechtzeitig zu erkennen, neue Märkte und die Veränderung der Kundenstruktur zu erkennen, Innovationsfelder zu identifizieren… Dazu muss man Methoden finden, die auch den knapperen Ressourcen im Mittelstand gerecht werden.
JH: Welche Herausforderungen sehen Sie im Mittelstand über die Ressourcen hinaus? Woran hapert es hier aus Ihrer Sicht?
KB: Bei den Unternehmen, die an unserer Studie teilgenommen haben, kann man natürlich ein gewisses Bewusstsein voraussetzen. Bei anderen Unternehmen dieser Größe muss das häufig noch geweckt werden, ebenso wie ein Verständnis, dass eine Chance darin besteht und es sich lohnt, sich intensiver mit Kundenwünschen und neuen Technologien auseinanderzusetzen. Der wirtschaftliche Veränderungsdruck besteht ohnehin; was fehlt, sind die Tools, die für diese Unternehmen und ihre Branchen übersetzbar sind – genau daran hapert es. Wichtig ist außerdem der Blick über den Tellerrand: Mittelständler verpassen wichtige Entwicklungen, weil sie zu stark nur auf Kunden und Wettbewerber – nämlich heutige Wettbewerber – schauen.
JH: Welche Rolle spielen dabei kulturelle Faktoren?
KB: In deutschen Unternehmen sind die Geschäftsführer ganz entscheidend für die Entwicklung bis hin ins Tagesgeschäft verantwortlich. Da viele dieser Geschäftsleitungen sehr ingenieursgetrieben sind, muss man hier häufig noch stärker die Bedeutung von Kooperationen vermitteln. Andererseits bringen Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen ein sehr starkes Bewusstsein mit für ihre Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern, innerhalb der Region etc. Generell sind Mittelständler natürlich auch viel reaktionsfähiger. Allerdings kann die Geschäftsführung nicht alles selbst machen und die Strukturen, um Aufgaben sinnvoll zu delegieren, fehlen häufig.
JH: Wie hängen Corporate Foresight und Innovation(smanagement) im Mittelstand zusammen? Wo sehen Sie diese Aufgaben organisatorisch zugeordnet?
KB: Angeordnet sind diese Arbeitsbereiche, wie schon erwähnt, häufig in der Geschäftsführung, darüber hinaus im Vertrieb, im Strategischen Marketing oder auch in einem Arbeitsbereich Innovation. Der gesamte Mittelstand steht vor der Herausforderung, in einer globalisierten Ökonomie ökonomisch erfolgreich zu sein. Es reicht nicht mehr, über die neueste Produktionstechnologie zu verfügen.
Was es braucht, ist eine neue Art des Denkens, die das Umfeld von Unternehmen stärker einbezieht und sich über enge Zeiträume hinaus orientiert – das wird eine strategische Kernaufgabe der Zukunft sein.“
Dieses Interview und weitere finden sich in der Publikation „Von der Spinnovation zur Sinnovation, das downgeloadet werden kann unter (PDF, 6,3MB, ca. 100 Seiten):