Im Urlaub holt man ja so manches ungelesene Buch nach und so ist „Driven“ keineswegs neu, sondern schon 2002 erschienen. Seit gut fünf Jahren bei mir im „To do“-Regal. Es hätte verdient, früher beachtet zu werden.
„Driven – how human nature shapes our choices“, so heißt das Werk der beiden Harvard-Professoren Paul R. Lawrence und Nitin Nohria, in dem sie nicht weniger als den Versuch wagen, den Triebfedern für menschliches (Entscheidungs-)Verhalten auf den Grund zu gehen. Schlauerweise wurde der Titel für die Deutsche Ausgabe nicht übersetzt und so bleibt es bei „Driven“. Hätte man es mit „Getrieben“ (oder „Triebe“) übersetzt, würde man dem Modell der beiden Autoren nicht gerecht: Es geht hier eben um bewusste UND unbewusste Treiber für menschliches Verhalten und für menschliche Entscheidungen.
Auf Grundlage eigener Studien plus einem umfassenden Studium anderer Autoren aus den Disziplinen der Anthropologie, Biologie, Ökonomie, Philosophie, Psychologie und Soziologie extrahieren die beiden vier „Treiber“, von denen sie glauben, dass diese für alle Menschen universell, grundlegend und in unserem biologischen Bauplan gleichsam eingebaut sind:
- Der Triebfeder zu besitzen bzw. etwas zu erringen, zu gewinnen (to acquire), nicht nur materiell, sondern auch an Status und Einfluss.
- Der Triebfeder, sich sozial zu binden (to bond), über familiäre Bindungen, Freundschaften, aber auch über soziale Strukturen wie Stämme, Vereine, Firmen, Nationen.
- Der Triebfeder zu lernen (to learn), Neues zu entdecken.
- Der Triebfeder zu verteidigen (to defend). Dabei geht es nicht nur um Gewalt, sondern auch um das Verteidigen von Errungenschaften, von Ansehen, den Schutz von Freundschaften oder dem Erhalt von Wissen.
Diese vier Triebfedern seien so grundlegend, dass sie nicht nur dazu dienen können, Verhalten zu erklären. Vielmehr unterstellen die Autoren ein Normativ, in dem sie behaupten, dass ein Ungleichgewicht zwischen den vier Triebfedern zu individuellen oder sozialen Disfunktionen führten. Sie machen das auf dem individuellen Niveau anhand von realen Beispielen ebenso fest, wie bei Organisationen anhand der Beispiele General Motors, japanischen Autounternehmen oder Hewlett Packard.
Gerade HP taucht ja als positives Beispiel in der Literatur häufig auf als ein Unternehmen, in dem versucht wird, eine „gesunde“ Balance herzustellen zwischen rein ökonomischen Zielen, einer lernenden und permeablen Organisation und einem den Mitarbeitern und der Organisationsumwelt verantwortlichen Unternehmensverhalten.
GMs eher einseitige Fokussierung auf das Ökonomische, führte gerade in den 80ern und 90ern zu einer gefährlichen Schieflage, als vermehrt japanische Unternehmen auf dem US-Markt und in Europa Druck ausübten (Stichworte: Gruppenarbeit vs. Fließband, Sicherheit für Mitarbeiter vs. Hire and Fire).
Für mich liegt die Stärke des Modells als Erklärungsmodell im disziplinenübergreifenden Ansatz zur Erklärung des menschlichen oder sozialen Verhaltens, in dem die Altvorderen von Darwin bis Freud ebenso ein Dach finden, wie aktuelle Erkenntnisse aus der Neurobiologie.
Die einzelnen hier beschriebenen Triebfedern sind nicht besonders neu (Für Leute, die sich mit Change Management beschäftigen, dürften die einzelnen Bestandteile ein alter Hut sein), aber in ihrer Kombination neu gedacht, indem sie eben eine phylogenetische Herleitung erfahren und daher einen anderen Anspruch geltend machen können, als Einzelstudien oder – in der Praxis häufig vorkommend – anekdotische Evidenzen.
Natürlich kann eine so kurze Buchrezension der Komplexität des Ansatzes nur bedingt Rechnung tragen. Daher die Empfehlung: Lesen.
Kurzverdikt: Sehr lesenswert.
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