Vom Kirchturmdenken zum Wir-Gedanken: Unternehmen als neue Player in der vernetzten Lehre?
26. Juni 2013 · von Maike Liess · 7 Minute Lesedauer · 1 Kommentar
Ist die Universität wie wir sie kennen am Ende? Revolutioniert das Internet nun auch diese bisher eher analoge Domäne? Und was bedeutet das für die moderne Unternehmenskommunikation? Überlegungen zu einer neuen Form der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. MOOC (Massive Open Online Course) ist der heiße Trend, der von US-Elite-Universitäten wie Stanford, Harvard und dem MIT nach Deutschland schwappt. Es sind vor allem Einführungsveranstaltungen, die offen für Jedermann und kostenlos ins Netz gestellt werden. Aber auch Kolloquien zu sehr speziellen Themen können auf diese Weise ihr Publikum finden. Je nach Ausprägung werden die kurzen Videovorträge der Dozenten durch themenrelevante Fragen und vertiefende Lektüre sowie Online-Foren oder Hang-Outs ergänzt. Denn das persönliche Nachvollziehen des Stoffs, allein und im Diskurs mit Kommilitonen, festigt den Lernerfolg. So können Studierende weltweit und kostenlos an Kursen der renommiertesten Hochschulen und besten Professoren teilnehmen. Die Wiege der MOOCs, Stanford University, brachte gleich zwei Plattformen für die offenen Online-Kurse hervor. Udacity , entwickelt mit 62 Partner-Universitäten eigene Inhalte, Coursera versammelt 250 Kursangebote von mittlerweile 33 Universitäten unter seinem Dach. Als Reaktion darauf entwickelten MIT und Harvard-Professoren mit edX eine weitere, open-source-basierte Plattform. Ja, es gibt E-Learning und Online-Veranstaltungen dieser Art bereits seit Jahren. Neu ist jedoch die Qualität, die viele MOOCs heute haben. „Ich habe in 25 Jahren der Beobachtung von Hochschulbildung nichts gesehen, das sich so schnell entwickelt“, sagt Mitchell Stevens, Soziologe in Stanford. Neu ist auch die große Zahl an Teilnehmern, die Dozenten mittlerweile mit einer einzigen Vorlesung erreichen können: Zehntausende nehmen an den beliebtesten Angeboten teil; schon legendär ist die Online-Veranstaltung über Künstliche Intelligenz des Stanford-Professors Sebastian Thrun, die 160.000 Studierende in 195 Ländern verfolgten. Kritiker bemängeln zwar, dass die Abbruchrate dieser Kurse sehr hoch ist. Aber: Wenn auch nur zehn Prozent der ursprünglich Interessierten tatsächlich einen Kurs mit einer Prüfung abschließen, ist ein bedeutender Schritt in der Verbreitung von Bildung und Qualifikation getan. Die Mitmach-Universität öffnet sich Damit verändert sich auch hierzulande die Vermittlung von Lehrinhalten enorm. Denn „offen“ ist das erste Merkmal der Online-Kurse, „auf Mitgestaltung ausgerichtet“ oft das zweite. Der Vernetzungsgedanke wird hier in unterschiedlicher Intensität gelebt. Gerade sogenannte cMOOCs (c für connectivism) setzen darauf, dass die Lernenden den Gegenstand selbst weiterentwickeln, indem sie themenrelevante Materialien recherchieren, diskutieren, kommentieren. Natürlich, das funktioniert auch in der analogen Welt. Wer sich jedoch an überfüllte Hörsäle und sauerstoffarme Seminarluft erinnert, wird der Dynamik eines Online-Diskurses von Fall zu Fall den Vorzug geben. Dort wird Wissensmehrung im besten Fall zu einem lebendigen Prozess. Er mag nicht mehr ohne Weiteres steuerbar sein, aber es ist anzunehmen, dass sich auch hier die besten, vielleicht auch die am besten aufbereiteten Informationen viral durchsetzen. MOOCs als Plattform für Unternehmenskommunikation? Was hat das nun mit Unternehmen zu tun? Sie können gleich in doppelter Hinsicht davon profitieren. Ganz einfach: In Zeiten des Fachkräftemangels müssen Recruiter an die Quelle – nämlich die Ausbildungsstätte – gehen und sich dort als attraktive Arbeitgeber positionieren. Die Möglichkeit, angehende Experten in Massen über solche Plattformen direkt anzusprechen, erscheint da als eine sehr effiziente Alternative zur Präsenz vor Ort. Gelingt dafür eine Kooperation mit einer Universität beziehungsweise einem Anbieter, so ergibt sich eine Konstellation, die für alle Beteiligten Vorteile birgt. Die zweite Chance, die sich mit dem Trend des vernetzten Lernens in cMOOCs eröffnet, ist ein wenig heikler, denn man könnte dahinter eine Einflussnahme auf die Lehre durch Wirtschaftsinteressen vermuten. Vor diesem Hintergrund ist es unabdingbar, dass die Freiheit der Lehre oberste Priorität behält. Unter dieser Prämisse eröffnet sich dennoch ein enormes Potenzial in der Verbreitung des Wissens, das Unternehmen in ihren Tätigkeitsgebieten sammeln. Meist schlummert das – verteilt über verschiedene Unternehmensbereiche – unerkannt und für die Kommunikation ungenutzt. Auch in diesem Fall bewahrheitet sich die Redewendung, dass Wissen eines der Güter ist, die sich mehren, wenn man sie teilt. Denn hier können sich Unternehmen offen als Kompetenzführer etablieren und als Wissensträger in den Diskurs mit einbringen: Gut aufbereitet und wissenschaftlich fundiert – das versteht sich von selbst. Gleichzeitig zahlt auch das wieder auf den Recruiting-Aspekt ein. So greift die Lehre durch Impulse aus der Wirtschaft wichtige Themen und Probleme auf, die Unternehmen derzeit und zukünftig beschäftigen – die Ausbildung nähert sich wieder ein Stück dem Bedarf des Arbeitsmarkts an. Wenn der long tail, übersetzt auf die Bildungslandschaft, dazu führt, dass auch in Nischen weiterhin gelehrt und geforscht werden kann, wäre obige Entwicklung sicherlich zu begrüßen. Zugegeben – wir bewegen uns hier auf einem schmalen Grat. Doch es sollte gelingen, den Trend zum MOOC zu nutzen, ohne die Wissenschaft ihrer Freiheit zu berauben: Mit hochwertigen Informationen und Forschungsergebnissen, die frei zur Verfügung gestellt werden. Ob sie für die Lehre tatsächlich bereichernd sind, wird die schließlich virtuelle Abstimmung der universitären Crowd ergeben. Weiterführende Links:
- Hier ein Video über den ursprünglichen Gedanken, was ein MOOC ist: What is a MOOC?
- Hier ein Artikel aus dem Time-Magazine
- Interessanter Artikel in nature
- Erfahrungsbericht meiner Kollegin Lena Küpper Der schmale Grat zwischen E-Learning und Ieeh!-Learning
- Hier eine aktuelle Liste von MOOCs
- Jan Philipp Schmidt vom MIT MediaLab sieht die geübte Praxis von MOOCs kritisch. Über seine Sicht referierte er auf der re:publica 2013
Die wichtigsten amerikanischen Plattformen im Netz:
Buchtipp: „Handbuch Online-PR“ von Ansgar Zerfaß und Thomas Pleil (Hg.)
4. Juni 2013 · von Jörg Hoewner · 2 Minute Lesedauer · 1 Kommentar
Kurzverdikt: Pflichtlektüre
Untertitel: „Strategische Kommunikation in Internet und Social Web“
Auf dem Buchrücken heißt es: „Das erste umfassende Handbuch zu Herausforderungen, Konzepten und Instrumenten der Online-Kommunikation aus Sicht des Kommunikationsmanagements.“
Ob es das erste Buch dieser Art ist, vermag ich nicht zu bestätigen. Allerdings ist es als Handbuch überaus empfehlenswert, weil es wirklich einen umfassenden Überblick über aktuelle Entwicklungen und Forschungsstände in diesem Fachbereich gibt: Von den Grundlagen, über Themen wie Online-Monitoring, Investor Relations Online, SEO bis hin zu Storytelling im Web oder partizipative Kommunikationsformen wird ein sehr weites Feld abgedeckt, wobei die Rolle von Social Media hier ebenso beleuchtet werden wie die gute alte Corporate Website.
Die unterschiedlichen Fachautoren kommen zum Teil aus dem wissenschaftlichen Bereich, zum Teil aus der sogenannten Praxis (Organisationen, Unternehmen, Agenturen). Das führt nicht zwangsläufig dazu, dass der theoretische Anspruch bei den „Praktikern“ geringer ausfällt, sondern die Beiträge wirken trotz der vielen Backgrounds sehr homogen – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen.
Besonders ans Herz legen möchte ich die beiden einführenden Beiträge von Thomas Pleil („Kommunikation in der digitalen Welt“) und von Ansgar Zerfaß und Thomas Pfeil („Strategische Kommunikation in Internet und Social Web“), weil in ihnen das Thema Online-PR einsortiert, der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst und noch ungeklärte Fragen formuliert werden. Gleichzeitig fassen diese Beiträge zusammen, was die beiden Autoren in vorangegangenen Publikationen (derer sind zahlreich) zur Modellbildung beigetragen haben.
Insofern: Ein „Must read“.
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Persona: Der Zielgruppe Gestalt geben
16. April 2013 · von Melanie Schwarz · 4 Minute Lesedauer · 1 Kommentar
Was würd´ ich als wer anderes wollen? Bzw. wie sieht eigentlich meine Zielgruppe aus? Die wohl berühmtesten Fragen in der Kommunikationsbranche. Dass es sich dabei gewöhnlich seltener um eine Gruppe handelt, sondern um verschiedene Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, ist bekannt. Dass diese Bedürfnisse in eine Art Gruppen-Trog zusammengepanscht werden, häufig die Realität. Zusammengebastelt aus Monitoring-Daten, entstehen adoleszente Männer mittleren Alters mit Vorliebe fürs Murmelspielen auf dem Tablet. Korrespondierend dazu: Karrierebewusste Omis mit Sympathie für Tokio Hotel und Leidenschaft fürs Stricken. Mischmasch. Abhelfen können sogenannte Personas. Weiterlesen →
Linkliste: Relevante Presseportale
21. März 2013 · von Philipp Nilgen · 3 Minute Lesedauer · 4 Kommentare
Wenn man Pressemitteilungen im Zuge einer PR-Kampagne veröffentlichen möchte, steht man vor der Herausforderung, unter einer Vielzahl von Presseportalen eine Auswahl zu treffen. Um diese Auswahl ein wenig einzugrenzen, habe ich unsere Linkliste der deutschsprachigen Presseportale aktualisiert. Wie in unserer vorigen Liste mit Presseportalen wird auch hier nach kostenlosen und kostenpflichtigen Presseportalen unterschieden. Die Bedeutung und Reichweite der Portale hängt von der Relevanz für die Zielgruppe sowie von der Länge der Marktpräsenz des Portals ab. (vgl. ADENION GmbH PR-Gateway.de Presseportalreport 2013)
Kostenpflichtige Portale
Bei den kostenpflichtigen Portalen variieren die Preise stark. Die Kosten zur Verbreitung eines einzelnen Textes (ohne Bild- oder Videodaten) liegen zwischen 60,- € und 360,- €.
- http://www.pressrelations.de
- http://www.newsaktuell.de
- http://www.press1.de
- http://www.pressebox.de
- http://www.pressetext.com/de
- http://www.release-net.de
Kostenlose Portale
Die Liste der kostenlosen Portale besteht aus Webseiten, mit denen wir bei K12 bereits erfolgreich gearbeitet haben, und aus dem Presseportalreport 2013 der ADENION GmbH. Hier wurden die Portale nach dem PageRank, dem Alexa Rank sowie dem Gründungsjahr aufgelistet.
- http://www.businessportal24.com/de
- http://www.dailynet.de/
- http://www.firmenpresse.de/
- http://www.inar.de/
- http://www.newsmax.de/
- http://www.nupepa.de/
- http://www.openpr.de/
- http://www.pressbot.net
- http://www.presseanzeiger.de/
- http://www.pressehof.de/
- http://www.yourpr.de/
- http://www.bsozd.com/
- http://www.fachzeitungen.de/
- http://www.dernachrichtenverteiler.de/
- http://www.deutschepresse.de/
- http://www.live-pr.com/
- http://www.newscomm.de
- http://www.online-artikel.de/
- http://www.pr-inside.com/de/
Was alle Portale gemeinsam haben
Alle Portale werben mit hochqualifiziertem Service, enormen Reichweiten sowie einem Pool an Fachjournalisten, Redaktionen und Social Media-Plattformen, an die der Verteiler sendet. Allerdings ist es kaum überprüfbar, wer genau der Empfänger der Mitteilung sein wird. Es ist zwar möglich, die Themenkreise einzugrenzen, in den meisten Fällen jedoch nur grob. Von daher besteht die Gefahr, dass die eigene Nachricht viel an Wirkung verliert bzw. verpufft, wenn sie an nicht relevante Empfänger versendet wird.
Den eigentlichen Einfluss gewinnt die Mitteilung jedoch durch Suchmaschinen. Richtig verschlagwortet, kann diese auch direkt für Kunden und Interessenten relevant werden. Damit die veröffentlichten Texte ihre volle Wirkung entfalten, ist es besonders empfehlenswert, die Texte im Vorfeld nach SEO-Kriterien zu verfassen.
Wer bereits Erfahrungen mit den Portalen gemacht hat bzw. wer Ergänzungen hat, ist dazu eingeladen, die Kommentarfunktion unter dem Blogpost zu nutzen!
Social Media Relations: Was Unternehmen bremst
5. Februar 2013 · von Carina Waldhoff · 10 Minute Lesedauer · Keine Kommentare
Wir schreiben das Jahr 2013 und Social Media sind lange Realität und Selbstverständlichkeit in deutschen Unternehmen.
Ist das so? Seit knapp sechs Jahren arbeite ich mittlerweile bei K12 und beinahe genauso weit reicht meine Beratungserfahrung in Sachen Social Media Marketing und -Relations zurück; in den frühen Jahren waren’s mehr Blogs, dann überwogen irgendwann die Kanäle Facebook und Twitter.
Über die Jahre zeichnen sich Muster ab und wir lernen, woran es immer wieder hakt, auch wenn es daran nicht haken dürfte, und wir doch alle so sauber und geplant arbeiten. Und weil eben doch ist, was nicht sein soll, kommt hier eine sehr subjektiv geprägte Liste der Achillesfersen professioneller Social Media Kommunikation:
Falsche Treiber: „Me Too“ statt zielgerichteter Kommunikation
Wir müssen heute kaum noch über Social Media „Totalverweigerer“ reden. Fast überall setzt sich irgendwo die Erkenntnis durch, dass Social Media von Bedeutung sind für Unternehmen. Mein Eindruck ist jedoch, dass die Entscheidung für ein Engagement in sozialen Medien häufig eher auf einem „Me too“-Reflex beruht als auch auf einer klaren Analyse, die zu dem Schluss kommt, dass bestimmte Zielgruppen hier zusätzlich/besser/nur noch etc. erreicht werden.
Werden interne Spezialisten oder beratende Agenturen frühzeitig in diesen gedanklichen Prozess eingebunden, lässt sich noch Einiges in richtige Bahnen lenken. Überwiegend werden Agenturen jedoch wegen ihres Umsetzungs-Know-Hows gerufen – und dann ist es aus Dienstleisterperspektive enorm schwierig, die Schwachstellen a. aufzudecken und b. das Ruder rumzureißen. Das gilt für uns als Kommunikationsberatung, der man eine umfassende Beratungssicht durchaus zutraut (und die wir Unternehmen gelegentlich bereits gut kennen, wenn „Social Media“ thematisiert wird); das wird wahrscheinlich für spezialisierte Social Media-Agenturen noch stärker gelten.
Ich halte es übrigens bis heute für kein Tabu, Unternehmen zum Zeitpunkt x ganz von einem Engagement in Social Media abzuraten, zumindest mit Blick auf Budgets und Prioritäten. Mit Blick auf die interne „Reife“ eines Unternehmens muss gute Beratung in vielen Fällen zumindest Tempo rausnehmen und die internen Baustellen benennen und bearbeiten statt ein „Durchwurschteln“ zu unterstützen.
Strukturen und Unternehmenskultur: Vertrauen will gelernt sein
Interne Prozesse und Anforderungen an „gute“ Social Media Kommunikation: Das ist häufig ein Widerspruch in sich. Kommunikation von und in Unternehmen war die letzten Jahrzehnte generell alles andere als „sozial“; und als professionell galt nur, was mehrfach gecheckt und freigegeben wurde. Geglättete Interviews und makellose Bildwelten ließen keine Unbedachtheit, keine menschlichen (Über-)reaktionen zu; und die Rechtsabteilung kannte und vermied jegliche Stolpersteine.
Eine Kultur, die auf Kompetenz und Vertrauen statt auf Kontrolle setzt, ist ein Riesenschritt für viele Unternehmen. Das zeigt sich aber häufig erst in Belastungssituationen, z.B. beim ersten kleinen „Shitstürmchen“, einer unbedachten internen Reaktion oder wenn die coole Kampagne, die sich das Marketing gewünscht hat, in letzter Minute von Legal oder dem Vorstand gebremst wird. Von einigen der besten Kampagnen der letzten Jahre weiß ich, dass man bewusst die offiziellen Wege umgangen hat um dies zu vermeiden – aber das kann keine dauerhafte Lösung sein.
Im Umgang mit dem Stressor „Shitstorm“ sehe ich gute Lernprozesse im Gange: Mal ist es die Erkenntnis, dass bei Facebook-Hyperaktivitäten kein Unternehmen ernsthaft beschädigt wird (wenn es gut kommuniziert und keine Krise jenseits der Kommunikation vorliegt). Mal sind es die Fehler der Anderen – in Düsseldorf hat gerade der OB zehn Feuerwehrmänner vom Dienst suspendiert – einen wegen eines kritischen Kommentars auf Facebook, neun denen das „gefällt“. Er war schlecht beraten, und aus solchen populären Fällen werden viele Menschen schlau.
Die ersten beißen die Hunde: Das Pionier-Dilemma
Häufig sind es kleine gallische Abteilungen oder gar Einzelne, die nicht mehr warten wollen und für ihr Thema einen Pflock in Facebook o.ä. einrammen. Das hat zwei Seiten: Auf der einen Seite schaffen sie Fakten und können zumindest die größten Zweifler überzeugen, dass ihr Abendland nicht untergeht. Auf der anderen Seite stehen sie teils unter enormem Erfolgsdruck, gepaart mit sehr geringer Misserfolgstoleranz: Was, ein unzufriedener Kunde, und alle anderen lesen das mit? Da muss auch der gewiefteste Community Manager zum Rapport und notfalls Äpfel und Birnen vergleichbar machen.
Der Weg in Social Media ist oft ein veritabler Change Prozess. Silo-Befähigung und -Engagement bringt wenig, wenn drumherum Unterstützung und Verständnis fehlen. Dabei taugt das Thema „Social Media Enablement“ hervorragend als Aufhänger für die interne Kommunikation. Beispiel Fusionen: Zwei Unternehmen müssen sich kennenlernen, annähern, ins gemeinsame Arbeiten kommen, beide stehen z.B. vor der Herausforderung, ihren Kundenservice auch in Social Media aufzubauen – ich kann mir kaum bessere Arbeitsthemen vorstellen, um gemeinsam zu definieren, wie „gute Kommunikation“ und effiziente Abläufe gestaltet werden sollten. Gemeinsame Workshops und Schulungen und die ersten Erfolge können hier wahre Treiber sein. Weiterer Pluspunkt eines solch integrierenden Ansatzes: Auch Abteilungen jenseits der „Klassiker“ Service, UK und Marketing bekommen Social Media auf den Radar, erkennen ihren Lernbedarf und ihren Nutzen (beispielsweise Rechtsabteilungen, HR, IT).
Die Träne im Knopfloch: Der gedankliche Schritt von „Machen Sie uns doch mal einen Facebook-Auftritt“ zu „Wir sollten über die Basis unserer Kommunikation reden“ ist riesig; einen Ansprechpartner zu finden, der beides verantwortet oder auch nur intern vermitteln kann, ebenfalls.
Die eigenen kommunikativen Fähigkeiten: Vielfach fehleingeschätzt
„Kommunikation auf Augenhöhe“ ist das Mantra der Stunde. Und überfordert viele Unternehmen kolossal: Sie haben ihre eigene Stimme und jegliches Selbst-Bewusstsein verloren über Claims, Botschaften und One-Voice-Policies. Zu den Konsequenzen gehören übervorsichtige und wenig überzeugende Reaktionen wie bei Ernstings‘ Family, die auf Proteste gegen einen TV-Spot weder vorbereitet waren noch eine klare Haltung dazu einnehmen konnten (empfohlener Beitrag dazu: „Marken brauchen Eier“ von Enrico Gräfe).
Wir führen regelmäßig Schulungen und Workshops zu Social Media-Themen durch. Wann immer ich sage „Seien Sie souverän!“ (und ich sag das gern und [zu] oft) ernte ich ein paar verständnislose Blicke. Denn absurderweise ist gerade bei uns „Kommunikationsprofis“ diese klare Haltung und dieses Gefühl dafür, wie man mit echten Menschen professionell UND sympathisch kommuniziert, verlorengegangen. Nicht umsonst sind es häufig Menschen aus dem Servicebereich, die den täglichen Clinch mit ihren Kunden kennen und uns zeigen wie’s geht: Man betrachte den flauschigen Dialog zwischen einer enttäuschten Bahn-Kundin und Community Manager Maik, der nach ganzen 17 Minuten konterte. Best Practise-Fälle wie dieser sind nur möglich, wenn die entsprechenden Teams die entsprechende Unterstützung und vor allem das nötige Vertrauen (s. voriger Punkt) genießen.
Das Problem für alle externen Berater: Dieser Faktor ist am schwierigsten einzuschätzen, wenn man zu einem Projekt hinzugezogen wird. Und diejenigen, die im Unternehmen z. B. an der Entwicklung eines Social Media Konzepts beteiligt sind, überschätzen ihre Fähigkeiten beispielsweise im „Facebook-Nahkampf“ fast zwangsläufig – sind sie doch Profis und im Umgang mit uns aufgeschlossen und selbstsicher. Die kalten Füße kommen erfahrungsgemäß gegen Ende des Prozesses, wenn Inhalte bestimmt, Kanäle fast fertig sind und „nur“ noch z.B. auf Krisensituationen hin geschult wird. Einzig denkbare Lösung aus meiner Sicht: Diese Laborsituation so weit wie möglich vorziehen, damit noch genügend Zeit bleibt, Konzept und Umsetzung nachzujustieren und letztlich alle mit einem guten Gefühl starten zu lassen.
Qualität kostet: Zeit, Geld und Hirnschmalz
Als letzter Punkt dieser wohlfeilen kleinen Liste die „eigene Nase“: Meiner Meinung nach ist Social Media Engagement von Agenturen zu lange im doppelten Wortsinn unter Wert verkauft worden: Das betrifft die Investitionen in z.B. Media (auch Seeding, Ads etc. gibt’s nicht kostenlos), das betrifft noch deutlicher die Investition in internes Know-How, in Enabling, ins Kuratieren und Community Management. Bislang sollte es zum Einstieg möglichst günstig daherkommen – dabei wurden auch die Chance „unter Wert“ verkauft: Es geht eben nicht nur um den x-ten Kanal im Kommunikationsmix, sondern um die Chance, sich besser zu positionieren und viel mehr aus dem eigenen Potential zu machen.
Es gibt hier heute keine „Moral von der Geschicht“ und keine Lösung. Nur einen Wunsch: Es zu schaffen, gemeinsam mit dem Kunden Social Media in den Kern der (internen) Kommunikation zu ziehen, mehr Zeit für eine realistische Einschätzung der Situation zu bekommen und auf die beste (weil passende) Lösung hinzuarbeiten.
Und bei Ihnen bzw. euch: Läuft alles, wie’s laufen sollte? Oder gibt’s Ergänzungen zur Mängel- und Mäkelliste?