K12
Design for cognitive bias

Buchtipp: „Design for Cognitive Bias“ von David Dylan Thomas

23. August 2023 · von Joerg Hoewner · Keine Kommentare

Fazit: sehr empfehlenswert

Ich stehe auf der Kirmes vor einer Losbude und habe zwei Auswahlmöglichkeiten. Auf der ersten Lostrommel steht: „Los nur 5 Euro. Sie können bis zu 50 Euro gewinnen!“ Auf der zweiten Lostrommel steht: „Sie können bis zu 5 Euro verlieren, aber auch 50 EUR gewinnen.“

Obwohl die Aussagen inhaltlich identisch sind, also der Einsatz und die Gewinnmöglichkeiten in beiden Fällen gleich sind, werden die meisten Menschen so reagieren wie ich: Sie greifen in die erste Lostrommel. Aber warum?

Der Grund dafür sind zwei kognitive Verzerrungen, Denkmuster, die unsere Wahrnehmung und die daraus resultierenden Entscheidungen beeinflussen. In diesem Fall sind es gleich zwei: Zum einen das so genannte Framing, also die Darstellung von Informationen in einer Weise, die ihre Interpretation beeinflusst. Zum Beispiel mit dem – negativ besetzten – Begriff „verlieren“ in der zweiten Variante, die das Risiko in den Vordergrund stellt und erst danach die Gewinnmöglichkeit. Gleichzeitig wird eine vielfach belegte, psychologische Verzerrung genutzt, die „Verlustaversion“ („Loss Aversion Fallacy“): Wir neigen dazu, auf wahrgenommene Verluste stärker zu reagieren als auf mögliche Gewinne, ein Denk- und Verhaltensmuster, das erstmals von den Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Twersky beschrieben wurde („Schnelles Denken, Langsamen Denken“) – als eines von vielen weiteren „cognitive biases“, die die klassische Vorstellung vom rational entscheidenden „homo oeconomicus“ ins Wanken gebracht haben. 

Inzwischen spielt der Einfluss kognitiver Verzerrungen in vielen Anwendungsfeldern eine immer größere Rolle. Was sich daraus speziell für das Design von Kommunikationsprodukten ergibt, ist Thema von David Dylan Thomas lesenswertem Buch „Design for cognitive biases“. Mit gutem Design, das den Einfluss kognitiver Verzerrungen berücksichtigt, können Nutzer:innen zu besseren, bewussteren Entscheidungen geführt werden. Oder auch gezielt manipuliert werden.

Wie das (im positiven Sinne) geht, zeigt das Buch anhand vieler Beispiele. Zunächst werden im 1. Kapitel die wichtigsten Biases vorgestellt. Im anschließenden 2. Kapitel werden „User Biases“ zusammen mit Ansatzpunkten für ein besseres Design diskutiert. Der Fokus liegt dabei auf digitalen Anwendungen. 

Richtig spannend wird es in der zweiten Hälfte des Buches. Im 3. Kapitel geht es um „Stakeholder Biases“, also um kognitive Verzerrungen beispielsweise auf Kundenseite, wenn es um Design- und Produktentscheidungen geht.

Im 4. und letzten Kapitel schließlich stehen die Designer:innen selbst im Mittelpunkt. Beschrieben werden neben den kognitiven Verzerrungen, von denen natürlich auch Designer:innen und Kommunikationsexpert:innen nicht ausgenommen sind, sondern dazu Methoden und praktische Lösungsansätze vorgestellt, um den eigenen Biases entgegenzuwirken. 

Ein wichtiges Thema und deshalb eine klare Leseempfehlung für alle, die eine kluge, kurze und knackige Einführung suchen. Wie alle Bücher in der Reihe „A book apart“ ist kurzweilig geschrieben, lesefreundlich gestaltet und bringt auf rund 100 Seiten das Wesentliche auf den Punkt.

Wer noch tiefer in die Themen Design und Verhaltenspsychologie einsteigen möchte, wird in dem schon etwas älteren, deutlich umfangreicheren und ebenfalls sehr empfehlenswerten Buch von Stephen Wendel fündig: „Designing for Behavior Change: Applying Psychology and Behavioral Economics“ (O´Reilly-Link). 

„Design for cognitive bias“ kann hier bestellt werden: https://abookapart.com/products/design-for-cognitive-bias

Aus der Reihe außerdem rezensiert haben wir:

Autor: Joerg Hoewner

Jörg Hoewner: Jg. 1969, ist Geschäftsführender Partner der K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation und Consultant für moderne Unternehmenskommunikation in Düsseldorf. Seit 1995 berät er Kunden im Bereich Online Relations / Online-PR und war damit einer der ersten Berater in Deutschland auf diesem Feld. In den vergangenen 20 Jahren hat Jörg Hoewner zahlreiche Kunden beraten, viele Unternehmen (darunter DAX30-Unternehmen) und mehrere Verbände. Darüber hinaus ist er als Referent aktiv und Autor zahlreicher Fachbeiträge – online, in Zeitschriften und Büchern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem Thema integrierte Kommunikation, deren Messbarkeit und der Auswirkung von Kommunikationstechnologien auf die interne und externe Unternehmenskommunikation. Kontakt: Jörg Hoewner (joerg.hoewner@k-zwoelf.com) – T. +49 (211) 5988 16 32.

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