Autorin: Claudia Taubenrauch
Claudia Taubenrauch, 20, studiert Medien- und Kommunikationswissenschaft, Politik und Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und absolviert momentan ein Praktikum bei K12.
Neu ist das Phänomen unter Insidern nicht, bekannt wird es jedoch erst jetzt: Das Portal direktzurkanzlerin.de. Auf dieser Seite kann man Fragen an die Bundeskanzlerin stellen, die drei am besten bewerteten Fragen einer Woche werden schließlich vom Kanzleramt beantwortet. Aufmerksam wurde ich auf dieses innovative Konzept im Rahmen der Berichterstattung zu den amerikanischen Präsidentschaftsvorwahlen, da in den USA jetzt ein ähnliches Portal namens Straight2thecandidate.com eingerichtet wurde – bisher antworteten die Bewerber allerdings noch nicht.
Natürlich ist dieses Konzept noch ausbaufähig, da es erst relativ jung ist. Dennoch ist das deutsche Portal ein schönes Beispiel für gelungene Kommunikationsmöglichkeiten, die für beide Seiten Vorteile bringt: Die Wähler haben endlich die Möglichkeit, Fragen direkt und unter Umgehung des üblichen Verwaltungsaufwandes zu stellen, Politiker können die Themenagenda des Volkes nachvollziehen und darauf reagieren. Dies ist kluge und unkomplizierte Kommunikation, die perfekt funktionieren kann, wenn sich das Portal bewährt und seine Bekanntheit weiter steigern kann. Beeindruckend zu sehen, wie einfach der Entwickler, Caveh Valipour Zonooz, sein Problem, nicht direkt mit Frau Merkel kommunizieren zu können, lösen konnte: Innovativ, unkompliziert, klug.
Meiner Meinung nach schafft es das Portal nicht, dass man Fragen „direkt und unter Umgehung des üblichen Verwaltungsaufwandes zu stellen“. Ein kompliziertes und nicht ganz transparentes Auswahlverfahren lässt nur wenige Fragen in der Woche zu.
Wenn ich direkt an die Bundeskanzlerin eine Mail verfasse, besteht eine Antwortpflicht. Hier liegt die Erfolgsquote daher um einiges höher und dieser Weg ist zudem unkomplizierter.
Meiner Meinung nach ist hier eine differenziertere Sichtweise auf das Portal notwendig, da es erfolgreich wichtige Leistungen erbringen kann, welche persönliche Anfragen nicht erreichen können:
– eine politische Öffentlichkeit und Interesse am politischen Geschehen werden generiert
– die Motivation zur Partizipation am politischen Prozess steigt, da sie als einfacher, schneller und unkomplizierter wahrgenommen wird
– Die Plattform zeigt Meinungen und Stimmungsbilder, kann die Publikumsagenda abbilden und archivieren
– Hinter den zu beantwortenden Fragen steht ein gebündeltes Interesse
– Antworten stehen allen zur Verfügung
Mit allein 3,5 Millionen Besuchern im ersten halben Jahr übt das Portal eine große Faszination aus. Viele Fragen werden als generell interessant empfunden, doch viele Nutzer würden es sicher als zu aufwendig empfinden, eine offizielle Anfrage zu verfassen – während sie das Verfassen eines Posts als schneller und einfacher wahrnehmen und somit eher online partizipieren.
Hinter den Fragen, die beantwortet werden, steht ein gebündeltes Interesse, durch öffentliche Publikation der Antworten kann mit mehr Bürgern kommuniziert werden – auch mit solchen, die die Antwort ohne das Portal nicht erreicht hätte. Alle können profitieren, viele Nutzer werden auf bestimmte Themen oder Aspekte vielleicht erst im Portal aufmerksam. Sie können sich weiter informieren und durch die Antworten des Kanzleramts auch Prozesse, Beschlüsse etc. eher nachvollziehen. Für die Politik ergibt sich ein Bild der Publikumsagenda, auf welche sie reagieren und somit den Kommunikationsprozess optimieren kann. Auf diese Art und Weise entsteht ein politisches Forum.
Natürlich ist es in persönlich dringenden Angelegenheiten ratsamer, eine eigene Anfrage zu verfassen – aber wer würde in einem solch dringenden Fall auch den Umweg über das Portal gehen und erst die Abstimmung abwarten?!? Diese schützenswerte Option wird ja auch nicht ansatzweise ersetzt oder eingeschränkt. Meiner Meinung nach erweitern sich sogar unsere Möglichkeiten durch Einfachheit und Unmittelbarkeit dieser neuen Partizipationsformen sogar.