K12

Mehr Aufmerksamkeit für die Stiefkinder der Nachhaltigkeitskommunikation

15. Juni 2023 · von Britta Neisen · Keine Kommentare

Die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist die existenzielle Herausforderung unserer Zeit. Unternehmen, Institutionen, Dienstleister – Akteure weltweit sind gefragt, ihre Produkte und Prozesse auf den Klimaprüfstand zu stellen: Wie hoch sind die Emissionen? Wie steht es um die Energie- und Ressourceneffizienz? An welchen Stellschrauben lässt sich drehen, um den CO2-Fußabdruck zu senken und in absehbarer Zeit klimaneutral zu werden? Schließlich gehört die Wirtschaft zu den Hauptverursachern klimaschädlicher CO2-Emissionen und ist damit einer der wichtigsten Hebel für die Erreichung der globalen Klimaziele.

Über den Tellerrand blicken

Aktuell konzentriert man sich bei der Klimabilanzierung und Dekarbonisierung noch überwiegend auf die eigene Einflusssphäre. Expert:innen sprechen hier – analog zu den Kriterien des globalen Greenhouse Gas Protokolls (GHG) – von Scope 1- und Scope 2-Emissionen. Das sind die Treibhausgase, die im Unternehmen selbst (Scope 1) bzw. beim Bezug der für die Geschäftstätigkeit benötigten Energie (Scope 2) entstehen. Allein diese Emissionen korrekt zu erfassen und zu reduzieren, ist bereits eine Herkulesaufgabe. Die Kür beginnt allerdings erst bei Scope 3: In dieser Stufe wird darauf geschaut, was vor der eigenen Haustür geschieht. Denn nur, wer die gesamte Lieferkette betrachtet, erhält einen realistischen Blick auf die tatsächliche Emissionsbilanz des Unternehmens und seiner Produkte. Und der wird zunehmend wichtig, denn die Pflicht zur korrekten, lieferkettenübergreifenden Bilanzierung klimarelevanter Emissionen beginnt sich schon heute abzuzeichnen.

Auf die sanfte Art

Oft gleicht die Analyse vorgelagerter Emissionen jedoch dem Versuch, mit der Glaskugel die Zukunft vorherzusagen – es sind häufig einfach keine belastbaren Zahlen von Lieferanten verfügbar. Für eine aussagekräftige Klimaberichterstattung und die Entwicklung darauf basierender, wirksamer Dekarbonisierungslösungen ist es dringend notwendig, diese Black Box zu erhellen. Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, Lieferanten die Pistole auf die Brust zu setzen: Entweder sie verpflichten sich zur dauerhaften Analyse und Reduktion ihrer Emissionen und liefern zusätzlich zu den eigentlichen Produkten Klimadaten frei Haus. Oder die Lieferbeziehung wird gekappt. Zielführender und charmanter ist jedoch eine sanftere Methode: die Kommunikation. 

Vom Schatten ins Licht

Als Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation fristen Lieferanten bislang eher ein Schattendasein. Im Fokus stehen meist andere Stakeholder, allen voran Kund:innen, Investor:innen, Journalist:innen und Mitarbeitende. Im Sinne einer ganzheitlichen Klimabilanzierung sollte sich diese stiefmütterliche Behandlung ändern: Lieferanten gehören hierfür ins Zentrum der Nachhaltigkeitskommunikation. Nicht mit dem vorrangigen Ziel, die eigene Reputation als verantwortungsvolles Unternehmen zu stärken, sondern mit der Absicht, das Bewusstsein für die Bedeutung der Dekarbonisierung zu stärken, zu überzeugen, zu motivieren und zu befähigen. Es gilt, Lieferanten an die Hand zu nehmen und mit ihnen auf Augenhöhe in Sachen Dekarbonisierung und Klimabilanzierung zusammenzuarbeiten. Zielgerichtete, maßgeschneiderte Kommunikationskonzepte und daraus abgeleitete Maßnahmen können die Weichen dafür stellen.

Erst informieren, dann überzeugen und motivieren

Im ersten Schritt sollte der Fokus darauf liegen, über die eigene, an strategischen Klima- und Nachhaltigkeitszielen orientierte, Einkaufspolitik zu informieren. Je intensiver dabei der Rückhalt durch die Unternehmensleitung kommuniziert wird, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Wichtig ist darüber hinaus, die Botschaft auf allen verfügbaren Kanälen zu senden – angefangen bei Lieferantenanschreiben über Newsletter und Präsentationsmaterialien bis hin zu Messeauftritten. Statements in (Fach-)Medien und den sozialen Kanälen des Unternehmens unterstützen die Wirkung.

An diese Informationsoffensive schließt sich nahtlos die Überzeugungsphase an: Dabei kommt es auf eine gute Vorteilsargumentation und konkrete Hilfestellungen an, gekoppelt mit einem verbindlichen Planungshorizont. In dieser Phase müssen sich Lieferanten explizit mit ihrem eigenen CO2-Fußabdruck auseinandersetzen, Ansatzpunkte für CO2-Reduktionsmaßnahmen identifizieren und realisieren. Es kommt also Arbeit auf sie zu, die gut vermittelt sein will, damit sie an den richtigen Hebeln ansetzt. Da die Klimabilanzierung für viele mittelständische Betriebe noch Neuland ist, können beispielsweise Tutorials, Best Practices, Playbooks und vor allem Dialogformate für den persönlichen Erfahrungsaustausch hilfreich sein.

Der Einkauf als Sprachrohr

Das Spektrum möglicher Maßnahmen ist groß, keine Frage. Doch bei wem sollte eigentlich die Verantwortung für Nachhaltigkeitskommunikation an die Zielgruppe Lieferanten liegen? Es liegt nahe, die Hoheit in diesem Fall beim Einkauf anzusiedeln: Dort laufen die Fäden zusammen, werden aktuelle Lieferbeziehungen gepflegt und neue Verbindungen geknüpft. Zudem achten viele Einkäufer:innen in großen Unternehmen schon heute verstärkt auf nachhaltige Kriterien bei der Lieferantenauswahl. Vor diesem Hintergrund ist es nötig, die Einkäufer:innen sprechfähig zu machen, so dass sie im Kontakt mit Lieferanten die Klima- und Nachhaltigkeitsziele vermitteln und durchsetzen können. An diesem Punkt kommen Unternehmenskommunikation und – soweit vorhanden – Nachhaltigkeitsverantwortliche ins Spiel. Ihre Aufgabe ist es, den Einkauf kommunikativ zu schulen und die Kolleg:innen mit den Tools und Materialien vertraut zu machen, die für die Lieferantenkommunikation zum Einsatz kommen sollen. Die Entwicklung dieser Instrumente liegt in der Hand der Kommunikations- und Nachhaltigkeitsexpert:innen – der Einkauf fungiert als Sprachrohr und Vermittler. Wenn dieses Teamwork gelingt, steht einer gelungenen Kommunikation nichts im Weg – und damit einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit für mehr Klimaschutz entlang der gesamten Lieferkette.       

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    Autor: Britta Neisen

    Britta Neisen ist geschäftsführende Partnerin bei K12 – Agentur für Kommunikation und Innovation in Düsseldorf. Sie verantwortet den Bereich Corporate Communications mit den spannenden Facetten Nachhaltigkeitskommunikation, CEO-Kommunikation, Reputation, Corporate Storytelling, Employer Branding sowie Purpose-/Haltungskommunikation.

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