Von Jörg Hoewner/Christian Roberts/Jonas Wilmesmeier
Ein Unternehmen ohne Führungskräfte? Kaum vorstellbar. Trotz flacher Hierarchien und flexibler Teams spielen Führungskräfte in den meisten Unternehmen nach wie vor eine zentrale Rolle. Sie sollen Vorbild sein, Orientierung geben, die Strategie vermitteln und ihre Mitarbeitenden motivieren. Dies gilt insbesondere bei Veränderungsprozessen, die in einer krisengeschüttelten VUCA-Welt immer häufiger auf der Agenda stehen. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft laut Gallup Studie 2022 eine gewaltige Lücke: Nur ein Drittel der Mitarbeitenden fühlt sich von seiner Führungskraft ausreichend unterstützt. Drei Viertel der Befragten sehen Verbesserungspotenzial bei der Führungsqualität in ihrem Unternehmen. Kann KI hier helfen?
KI als Führungskraft: Navigator, Transformator, Kommunikator?
Die Leistungsfähigkeit generativer KI-Programme hat schon heute eine Reihe ehemals menschlicher Aufgaben im Unternehmen übernommen, von der Kundenhotline bis zum Recruiting und Marketing. Warum sollten ausgerechnet Führungsaufgaben von dieser Entwicklung ausgenommen und ihre Fähigkeiten nicht ebenso (teil-)automatisierbar sein wie die von anderen Expert:innen? Wäre es nicht eine großartige Idee, bei der Navigation durch die heißen, oft hochemotionalen Phasen von Transformationen, Restrukturierungen und Change-Projekten auf das überlegene Wissen, die Ruhe, Geduld und Verlässlichkeit eines KI-„Piloten“ zu setzen? Die Antwort verlangt zunächst einen genaueren Blick auf die Rolle, die Führungskräfte speziell in Change-Prozessen einnehmen.
Erfolgreiche Unterstützung bei Analyse, Strategie, Training
„Ich bin im Juli als CEO zurückgetreten, weil ich glaube, dass eine von Menschen überwachte KI mich übertreffen kann“, sagte Ahmed Lazem, Ex-CEO und Mitgründer des finnischen Health Tech Startups Hunna Technology, als das Unternehmen im Juli 2023 die Beförderung des KI-Systems IndigoVX zum ersten europäischen KI-CEO bekannt gab. Das System hat die Erwartungen weit übertroffen: IndigoVX definierte eine realistische Geschäftsstrategie, identifizierte unerschlossene Märkte, optimierte den Ressourceneinsatz und prognostizierte Verbrauchertrends mit einer Erfolgsquote von über 90 Prozent. Was nach einer schrägen Meldung klingt, betrifft den KI-Einsatz für eine zentrale Aufgabe von Führung, die Ausarbeitung erfolgversprechender Strategien und Ziele. Auch für eine weitere Führungsaufgabe könnte KI die bessere Wahl sein: die Unterstützung und Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Für viele Bereiche lassen sich maßgeschneiderte Coaching-Bots entwickeln, die sich perfekt auf die individuellen Bedürfnisse des Mitarbeitenden einstellen – geduldig, freundlich und sehr kostensparend. Was also bleibt von Führung, was KI nicht besser kann?
Kommunikation als Schlüsselfaktor in Veränderungen
Strategieentwicklung ist keine Rechenaufgabe, sondern verlangt Entscheidungen. Investieren wir in grüne Produktion oder in ein neues Geschäftsfeld? Wie wird sich der Markt in den nächsten drei, fünf Jahren entwickeln? Bei solchen Fragen kann KI unterstützen, indem ein Programm – wie bei Hunna – große Datenmengen analysiert, Prognosen erstellt, Szenarien berechnet. Die Entscheidung wird am Ende die Unternehmensführung treffen, und vor allem verantworten müssen. Nach der Zielsetzung steht die wohl schwierigste Führungsaufgabe an: Veränderungen im Unternehmen erfolgreich zu gestalten, um die Ziele auch zu erreichen. Dafür ist es zwingend nötig, die Mitarbeitenden als Unterstützer:innen zu gewinnen. Im Gegensatz zu Robotern und Maschinen kann man sie nicht einfach umprogrammieren – Menschen wollen überzeugt und begeistert werden. Nur dann sind sie bereit, Verantwortung zu übernehmen und ihren Beitrag zum gemeinsamen Erfolg zu leisten.
Mit Argumenten überzeugen, mit Emotionen bewegen
Argumente können überzeugen, doch es ist die emotionale Komponente in der Kommunikation, die Menschen bewegt. Das lässt sich an jeder guten politischen Rede illustrieren – „I have a dream!“ Speziell in schwierigen Phasen sind deshalb Führungsqualitäten gefragt, die besser im englischen Begriff Leadership zum Ausdruck kommen, weil darin die Beziehung zwischen Führung und Geführten im Zentrum steht. Damit wird deutlich, in welcher Weise KI einen wertvollen Beitrag zu elementaren Führungsaufgaben leisten kann: Indem sie effizient und effektiv in Teilbereichen der internen Kommunikation eingesetzt wird und Raum für die emotionalen und Beziehungsaspekte der Kommunikation schafft, die eine KI derzeit nicht bieten kann. Wie in den meisten Bereichen kommt es auf das Zusammenspiel von Mensch und KI-System an.
KI als Wirkungsverstärker der Führungskommunikation
Bei K12 arbeiten wir aktuell an einem Leadership-Companion, einer KI-Lösung, die Führungskräfte in ihrer Kommunikationsrolle unterstützt, und zwar durch:
- Konsistente, zielgruppengerechte Information: Beispielsweise benötigt ein technisches Team eher fachspezifische Informationen, ein Managementteam eher Hintergründe zu strategischen Themen. Auch kulturelle Unterschiede, beispielsweise zwischen Mitarbeitenden in der Produktion und Verwaltung oder in internationalen Teams können eine Rolle spielen, weshalb es wichtig ist, Ton und Stil auf die Adressaten abzustimmen, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Individualisierte KI-Programme können die Aufbereitung relevanter Informationen für unterschiedliche Zielgruppen leisten.
- Bereitstellung von Hintergrundwissen: Ganz ähnlich wie eine KI-Funktion einer Vertriebsleiterin im Gespräch mit potenziellen Kunden detaillierte Marktanalysen und Kundendaten in Echtzeit zur Verfügung stellen kann, kann die KI-Assistenz die Führungskraft dabei unterstützen, sich passgenau auf ein Gespräch mit einem einzelnen Teammitglied vorzubereiten, indem sie beispielsweise dessen jüngste Projekte, Leistungen und Entwicklungsschritte zeigt, wodurch ein empathisches Gespräch möglich wird.
- Dialog-Simulation: Als dritte Leistungskomponente wird der KI Companion eine Dialog-Simulation beinhalten, um Führungskräfte bei der intensiven Vorbereitung auf persönliche Gespräche mit verschiedenen Zielgruppen zu unterstützen. Das System ermöglicht es nicht nur, realistische Gesprächssituationen zu üben, sondern auch verschiedene Szenarien für den Gesprächsverlauf durchzuspielen.
Den Einstieg meistern: Strukturiertes Vorgehen zahlt sich aus
Angesichts der ständig wachsenden Anzahl neuer KI-Instrumente mit ihren unterschiedlichen Stärken und Möglichkeiten sind Auswahl und Kompetenzaufbau der Mitarbeitenden derzeit (noch) eine Herausforderung für sich. Der Schlüssel zum erfolgreichen Einsatz von KI-basierten Instrumenten in der Unternehmenskommunikation liegt daher in einer Auseinandersetzung, die nicht nur die neuen Möglichkeiten (und Grenzen) auslotet, sondern die Zwecke und die Kombination von Mensch und Programm in den Blick nimmt:
- Welche KI-Tools sollen zum Einsatz kommen?
- Wie transparent kommunizieren wir den Einsatz von KI-Tools?
- Wie wahren wir die Privatsphäre der Mitarbeitenden?
- Wie stellen wir sicher, dass die verwendeten KI-Programme im Einklang mit unseren Unternehmenswerten stehen?
- Wie integrieren wir KI, ohne die menschliche Komponente der Führung zu vernachlässigen?
Um sich den Antworten auf diese Fragen zu nähern, empfiehlt sich eine strukturierte Herangehensweise, zum Beispiel mit dem „KI Explorer“. Der von K12 entwickelte Ansatz unterstützt dabei, konkrete und sinnvolle Einsatzfelder von KI im Unternehmen zu identifizieren, technologische Möglichkeiten auszuloten und die passenden KI-Tools zu bestimmen.
Fünf Schritte sichern einen effizienten KI-Einsatz
1. Bildung eines diversen Teams aus verschiedenen Unternehmensbereichen: Der Einsatz von KI-Tools ist selten auf einen klar umgrenzten Bereich beschränkt. Deshalb ist die Bildung eines diversen Teams sinnvoll, in dem von Anfang an Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen und Hierarchieebenen zusammenarbeiten.
2. Identifikation von Use Cases: In einem zweiten Schritt werden konkrete Szenarien und Anwendungsfälle definiert, in denen KI-Programme einen Mehrwert versprechen. Dazu gehört beispielsweise das Analysieren von Geschäftsprozessen, um herauszufinden, wo KI-gestützte Lösungen Effizienzgewinne, Kosteneinsparungen oder ganz neue Möglichkeiten und Angebote bieten können.
3. Priorisierung der Use Cases nach Machbarkeit und Nutzen: Sobald potenzielle Use Cases identifiziert worden sind, können sie entlang von Machbarkeit und möglichem Mehrwert/Nutzen priorisiert werden. Machbarkeit bezieht sich dabei auf die technischen, organisatorischen und operativen Herausforderungen, der Nutzen auf die betriebswirtschaftlichen Vorteile.
4. Entwicklung eines Pilotprojekts: Im vierten Schritt wird der ausgewählte Use Case in einem Pilotprojekt getestet, um anhand von ersten Ergebnissen mögliche Herausforderungen zu identifizieren. Ein erfolgreicher Pilot dient als Grundlage für eine breitere Implementierung und hilft, Risiken und Unsicherheiten zu minimieren.
5. Evaluation und Anpassung der Strategie: Schließlich kann nach Abschluss des Pilotprojekts die Unterstützungsleistung der KI-Lösung bewertet werden. Als Kriterien dienen beispielsweise erzielte Effizienzgewinne oder der Grad der Akzeptanz durch die Benutzer:innen. Auf Basis dieser Bewertung lässt sich die Strategie anpassen, die Lösung weiter optimieren und im Erfolgsfall auf andere Bereiche des Unternehmens ausweiten.
KI in der Kommunikation: Mensch und Maschine im Tandem
KI kann in vielerlei Hinsicht glänzen, sei es durch präzise Datenanalysen, schnelle Informationsverarbeitung oder maßgeschneiderte Unterstützung. Doch trotz all ihrer Fähigkeiten bleibt der menschliche Faktor zentral: Menschen folgen Menschen – die Empathie, Authentizität und das Vertrauen, das gelingende Führungskommunikation ausmacht, sind von KI-Tools (derzeit) nicht zu vermitteln. Deshalb kommt es auf das optimale Zusammenwirken an. Mit den richtigen Strategien werden KI-basierte Programme zu Werkzeugen, die Kommunikation im Unternehmen auf eine neue Ebene bringen. Nicht, weil sie Menschen ersetzen, sondern indem sie die Stärken von Mensch und Maschine kombinieren.