Untertitel: „Theoretische Konzepte und empirische Befunde“
Kurzverdikt: Pflichtlektüre
Im von Pleil / Hoffjann herausgegebenen Beitragsband kann man über 14 Beiträge sein Theoriewissen bezüglich Onlinekommunikation / Online-PR / PR aktualisieren bzw. auf den neuen Stand halten.
Im Buch werden drei Themenschwerpunkte gesetzt: Dialog, Risiko und Innovation, wobei die Teilüberschriften „Überschätzter Dialog“, „Überschätztes Risiko“ und „Überschätzte Innovationskraft“ eigentlich schon die Kernaussagen der einzelnen Beiträge zusammenfassen.
In „Überschätzter Dialog“ wird aufgezeichnet, wie Dialog als Zweck von Onlinekommunikation von Organisationen als Anspruchshaltung formuliert, aber nur selten eingelöst wird: Meist scheitert der Dialog daran, dass die von Organisationen ausgesendeten Signale bzw. Kommunikationsofferten eher informativ / monologisch ausgerichtet sind und daher wenig Anlass zu Dialog liefern.
In „Überschätztes Risiko“ wird auf die Shitstorm-Problematik eingegangen, bzw. den Shitstorm als wahrgenommenes Risiko. In den beiden Beiträgen werden tatsächlich empirische Befunde beigetragen, die die Risikowahrnehmung in Bezug auf Resonanzeffekte oder „Digital Spillover“-Effekte (Diffusion in die Massenmedien) stützen. Offen bleibt jedoch, inwieweit wirklich ein nachhaltiger Imageschaden oder gar ökonomischer Schaden verursacht.
Neu für mich war, dass der Begriff „Shitstorm“ in diesem Zusammenhang – ähnlich wie der Begriff „Handy“ – ein rein deutsches Konstrukt ist (bzw. von Sascha Lobo geprägt sein soll). In den USA wäre man vom Begriff eher konsterniert – der analoge Begriff hier heißt „Online Firestorm“. 😉
In „Überschätzte Innovationskraft“ wird auf die Diffusion von Social Media-Innovationen in Organisationen eingegangen: Inwieweit wird deren Einführung strategisch und systematisch angegangen wird.
Mein persönliches Highlight ist in Teil 1 (Theoretische Perspektiven) der Beitrag von Peter Winkler „Wider die reine Netzwerkrhetorik – Pladoyer für eine netzwerksoziologisch orientierte Online-PR“. Persönliches Highlight deswegen, weil der Beitrag aktuelle Ansätze aus der Netzwerksoziologie (White, Fuhse – beides für mich relativ neu) in Bezug zur Online-PR setzt. Und deswegen, weil er die sich aus dem Netzwerkgedanken für das Kommunikationsmanagement ergebenden Fragen bzw. Thesen zusammenfasst:
„Dazu schlagen jüngere Kommunikationsansätze (vgl. Christensen et al. 2009; Mangold und Faulds 2009)(…) vor, weniger auf massenmedial übliche, klare Positionierung zu setzen, sondern Beziehungsanreize über inhaltliche Deutungsspielräume und Zuschreibungsoffenheit zu schaffen. Christensen et al. weisen auf die Bedeutung interpretativer Ambiguität im Web etwa nachdrücklich hin, wenn sie dafür plädieren, Usern die Möglichkeit zu geben, „mit Unternehmenssymbolen zu spielen, diese auszuweiten, zu replizieren und oft genug auch zu redefinieren und umzuformulieren und insofern einen aktiven Teil in der Bestimmung von Markenimages und -identitäten einzunehmen“ (Christensen et al. 2009, S. 213; Übersetzung P.W.).“
„(…) {die} indirekter Einflussnahme auf strukturelle Rahmenbedingungen – kennt die jüngere PR-Literatur unter dem Konzept der „Kontextkontrolle“ (vgl. Nothhaft und Wehmeier 2009). Dieses besagt, dass lineare Steuerung in komplexen sozialen Settings versagt und Interventionen eher über entsprechendes Arrangement struktureller Rahmenbedingungen erfolgen sollte. (S.36)“
„Zum einen macht sich dies in einem allmählich veränderten Strategieverständnis im Kommunikationsmanagement bemerkbar. Dabei wird vermehrt der Überlegung gefolgt (vgl. Hallahan et al. 2007; King 2010), dass Strategien weniger im Sinne ontologisch notwendiger, linear zu exekutierender Setzungen zu verstehen sind, sondern eher als kommunikative Plausibilisierungsversuche, wie auf Ungewissheit reagiert werden kann. (..) Mit dem Konzept des Annealing adressiert White jedoch ein managementtheoretisch recht neues Strategieverständnis, das aktuell auch in der Online-PR aufgegriffen wird (vgl. Macnamara und Zerfaß 2012), namentlich das „emergenter Strategien“. Emergente Strategiebildung verabschiedet sich dabei von der Illusion, soziale Kontingenz vollständig kontrollieren zu können, sondern setzt vielmehr auf ein situatives und dialogisches Strategieverständnis, das „multiple Geschichten“ hervorbringt, die „rasch, einfach und unterschiedlich zusammengesetzt erzählt werden können“ (Barry und Elmes 1997, S. 442 f.; Übersetzung P.W.). (S.43)“
Im Beitrag steckt noch viel mehr davon. Jedenfalls: Darüber wird nachzudenken sein.
Es ist Freitag, also gute Wochenendlektüre.
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Nice post,It is informative..Thank you!