K12

Neue Arbeitswelten im Büro bei ARAG

9. August 2022 · von Natascha Kunath · Keine Kommentare

Corona hat einen Kulturwandel ermöglicht: Homeoffice ist in vielen Unternehmen nicht mehr das Privileg einiger weniger, sondern Standard. In der Regel wird vom Management ein Modell für hybrides Arbeiten durch neue Betriebsvereinbarungen zugesichert: In Abstimmung mit dem Betriebsrat dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem fest vereinbarten Anteil am heimischen Schreibtisch arbeiten. Die logischen Folgen sind die Verdichtung von Büroflächen und Desk-Sharing. So auch bei ARAG im Düsseldorfer Hauptquartier. Welche Erfahrungen der Versicherungskonzern mit dieser Veränderung gemacht hat und wie sie sich auf die Unternehmenskultur auswirkt, berichtet Marion Schikora – bei ARAG verantwortlich für die Interne Kommunikation.

Marion Schikora

In der Düsseldorfer Konzernzentrale der ARAG gibt es seit August 2021 das Projekt FANTA. Welches Konzept verbirgt sich dahinter?

FANTA steht für Flexibles Arbeitsplatz- und Neues Teamwork-Konzept bei ARAG. Dahinter steckt ein Projekt zur Verbesserung der Flächennutzung am Campus Düsseldorf. Denn es stand fest: Wir werden in Zukunft zwischen mobilem Arbeiten und unseren Büros wechseln. Wesentlich weniger Kolleginnen und Kollegen werden gleichzeitig vor Ort sein, wenn mehr von zu Hause oder unterwegs gearbeitet wird. Persönliche Arbeitsplätze, die mitunter mehrere Tage nicht genutzt werden, sind vor diesem Hintergrund nicht mehr notwendig. Ein Shared-Desk-Modell bei ARAG konnten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorstellen. Das hatte eine Befragung ein Jahr zuvor ergeben. Außerdem wurde im April 2021 eine Betriebsvereinbarung für mobiles Arbeiten beschlossen, die ermöglichen soll, mindestens 40 Prozent mobil arbeiten zu können. Vor diesem Hintergrund ergab es keinen Sinn mehr, für alle Mitarbeitenden einen eigenen Arbeitsplatz vorzuhalten. Unsere Konzernzentrale, der ARAG Tower, im Jahr 2000 vom Architekten Lord Norman Forster entworfen und gebaut, umfasst 30 Etagen. In diesem Gebäude bzw. am Campus Düsseldorf sollten die Büroflächen verdichtet werden..

Welche Veränderungen zieht „hybrides Arbeiten“ noch nach sich?

Um die gewünschten Zahlen und Vorteile zu realisieren, muss man einige Voraussetzungen für das Desk-Sharing schaffen. Die persönlich benötigten Gegenstände müssen zum Beispiel in Lockern untergebracht werden können. Bei uns im Unternehmen teilen sich jetzt mehrere unterschiedliche Teams die Etagen. Manche Teams mussten aus einem anderen Gebäude umziehen. Damit nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am gleichen Tag im Büro sind, war auch eine Organisation der Anwesenheitstage in der „neuen Arbeitswelt Büro“ nötig. Gerade während der Pandemie, aber auch danach setzt Desk Sharing zudem noch einmal andere Hygienemaßnahmen voraus, die bis zum „Day One“ entwickelt, vermittelt und umgesetzt sein mussten.

Wie seid ihr in das Change-Projekt gestartet?

Im Sommer 2021 stand der Projektscope schnell fest. Wir sind von Anfang an davon ausgegangen, dass die emotionale Komponente und eine gute Abstimmung auf die Führungs- und Unternehmenskultur für alle Beteiligten wichtig sind: Desk-Sharing bedeutet für die Menschen bei ARAG neben allen Vorteilen eben auch einen Nachteil, den wir durch die Interne Kommunikation adressieren mussten: Es galt, sich neben dem festen Arbeitsplatz auch von vielen liebgewonnenen Gewohnheiten bei der Arbeit zu verabschieden, die unsere Kultur ebenfalls geprägt haben. Nicht mehr am eigenen Schreibtisch arbeiten, den persönliche Wandschmuck wie Poster, Kalender und Fotos abzuhängen, auf den eigenen Namen an der Zimmertür verzichten, die Größe des Büros nicht an Hierarchiestufe auszurichten – all das sind emotionale „Abschiede“. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten diesen Wandel beim Umzug an einen Arbeitsplatz nach dem Desk-Sharing-Konzept zunächst akzeptieren und überwinden.

In der Projektleitung haben wir direkt zu Beginn entschieden, dass wir deshalb ein „Teilprojekt Change und Kommunikation“ brauchen, das sich nur um diese Aspekte der Unternehmenskultur kümmert. Damit war neben allen eher technischen Prozessen (Raumplanung, Hygiene, Möbelauswahl etc.) der Veränderung in ihrer gesamten Dimension eine zentrale Rolle im Projekt gesichert. Ebenso war von Anfang klar: Die Mitbestimmung wird in das Projekt und die Organisation der Desk-Sharing-Modelle integriert. Als Treiber waren beide Aspekte auch für unseren Vorstand immens wichtig.

Was konkret hat euer Teilprojekt Change & Kommunikation auf die Beine gestellt?

Wir sind mit einer klassischen Erstkommunikation gestartet, die wir zum „Day One“ vorbereitet haben. Der Vorstand hat den betroffenen Abteilungen in einer Live-Kommunikation sämtliche Informationen geliefert, die sie über die Zukunft unserer geplanten Zusammenarbeit brauchten. Dabei ging es um das Konzept, um die Modelle und natürlich auch um die Ziele des Projekts: Was ist unsere Definition für hybrides Arbeiten? Welche Prozesse werden sich ändern und wie wird das Management vorgehen? Welche Change-Maßnahmen wird es geben, um den Wandel zu begleiten? Welche Regeln müssen wir beachten? Fragen wie diese waren angesichts der Desk-Sharing-Modelle und der Veränderung zu erwarten. Klassischerweise haben wir im Vorfeld auch das Management informiert und für Rückfragen der betroffenen Teams vorbereitet. Jede Führungskraft sollte aussagefähig zum Thema sein und damit den Kulturwandel klar unterstützen.

Im zweiten zentralen Schritt waren Info-Veranstaltungen für die jeweiligen Teams vorgesehen. Hier kam uns sprachlich die Architektur des ARAG Towers zugute. Im Tower sind jeweils drei Etagen immer durch innenliegende Treppen miteinander verbunden. Die Architekten nennen diese Aufteilung „Dorf“. Diesen Begriff haben wir – das war eine Idee des Betriebsrats – für die Interne Kommunikation aufgegriffen. Dementsprechend hießen die Informationsveranstaltungen „Dorf-Info“, der Planungs-Workshop zur Gestaltung der neuen Arbeitswelten „Dorf-Workshop“, die Einweihungsparty „Dorf-Fest“. Da in einem „Dorf“ mehrere Teams arbeiten, passte die Dorf-Assoziation eben auch inhaltlich. Und das Marketing, das „Einfach-sichtbar-Machen“, gehört ja bekanntermaßen neben der Information auch zu einem erfolgreichen Projekt, das den Wandel vorantreiben soll.

Was wie ein Klassiker der Internen Kommunikation klingt, war bei FANTA wieder ein wichtiger Meilenstein: Sorgen, Befürchtungen und jeder Form von Gerüchteküche mit vorhandener Information begegnen – auch wenn wir selbst noch nicht alle Antworten liefern konnten. Das hat bei uns im Unternehmen den betroffenen Teams gut geholfen, das Projekt FANTA von Anfang an ins richtige Fahrwasser zu bringen.

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg des Kulturwandels und der begleitenden Kommunikation im Unternehmen war die Einbindung der Teams: Nicht nur die Mitbestimmung ist im Projekt viel gehört worden, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten viele Chancen, daran mitzuarbeiten. Wir haben kleine Online-Umfragen in die Dorf-Infos integriert. Wir haben mit den Teams in Dorf-Workshops die Ausstattung ihrer „Dörfer“ geplant. Und in Bedarfsermittlungsgesprächen haben wir die konkreten Bedürfnisse der Teams für die Organisation, Raumanordnungen, Bürogrößen, Möbel etc. durch Interviews herausgearbeitet. Mit dieser Form der Partizipation waren wir sehr nah dran an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen.

Mit welchen Formaten habt ihr FANTA zusätzlich begleitet?

Fast alle Kommunikationsformate des Projekts haben sich am Thema Umzug und Einzug orientiert. Erstens, weil es einfach so war, und zweitens, weil das etwas ist, was wir alle aus dem privaten Umfeld kennen. Auch so baut man Vertrauen ins Projekt auf.

Gestartet sind wir im jeweiligen Dorf mit der Aktion „Ausmisten“. Alle haben ihren Arbeitsplatz, den Schreibtisch und ihre Schränke aufgeräumt und entmüllt, Dokumente digitalisiert und Kartons für den Umzug gepackt. Trotz der damit verbundenen Arbeit hat es vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geholfen, sich zu verabschieden und auf die Zukunft in einer neuen Arbeitswelt einzustellen. Vieles wurde gespendet, was auch wieder eine schöne Aktion war. Um sich vorstellen zu können, wie die Büros nach dem Umzug aussehen, haben wir „Showrooms“ auf den Etagen eingerichtet. Hier ließ sich in den verschiedenen Raum-Typen (Raum für persönliche Gespräche, Team-Raum, Kreativ-Raum etc.) das Mobiliar erkunden. Die Showrooms gab es aufgrund von COVID-19 auch virtuell im Intranet – auch das eine toller Vorteil der zunehmenden Digitalisierung, die uns die Veränderung in der Arbeit zum hybriden Modell erst ermöglichte. Und zum Einzugstag stand für jedes Teammitglied, passend zum Projektnamen, eine Flasche Fanta im neuen Locker-Fach.

Bei der Fülle an Change-Vorhaben, die heute jedes Unternehmen täglich nebeneinander zu bewältigen hat, sind die Budgets und die Einsatzkräfte für das einzelne Projekt überschaubar. Umso wichtiger ist es, dass die Formate in Aufwand und Wirkung gut durchdacht sind, weil niemand mehr die Zeit und das Budget hat, für jede einzelne Veränderung ein Feuerwerk abzufackeln. Und genau hier sind wir froh, dass wir im Pitch zu Beginn des Projekts Jonas und Natascha von K12 ausgesucht haben. Sie haben uns mit ihrer Change-Expertise und Unternehmenskultur-Erfahrung sicher und schnell begleitet. Das ist heute mehr denn je unverzichtbar in diesen Projekten.

Inzwischen sind die ersten vier „Dörfer“ zusammengezogen, die Feedbacks zu FANTA von Führungskräften und Mitarbeitenden sind durchweg positiv, weitere Dörfer werden folgen.

Was hat im Change-Management und der Kommunikation rund um FANTA aus deiner Sicht zum Erfolg beigetragen?

Klaus Heiermann und ich sind nach vielen Change-Projekten der Überzeugung, dass das Unternehmen in diesen Veränderungen einige Herausforderungen aushalten können muss. Es ist immer so, dass entlang der klassischen Change-Kurve zu Beginn die Emotionen hochgehen. Da sind wir inzwischen alle gelassener geworden.

Berechtigten Ängsten und Sorgen mit solider Information begegnen – dieser Klassiker wird gerne unterschätzt. Oder das Konzept wird aus dem Unwohlsein, noch nicht auf alle Fragen Antworten geben zu können, nicht sauber umgesetzt. Sich hier den Befürchtungen zu stellen und sie auszuhalten, ist immens wichtig. Ganz wichtig: Dort, wo sich die Führungskräfte selbst stark eingebracht haben und von „vorne“ geführt haben, lief es deutlich besser. 

Welche Tipps hast du für Kolleginnen und Kollegen, die vor einer ähnlichen Herausforderung stehen?

  • Immer wieder den Zeh ins Unternehmen reinhalten. Und bei den Menschen nachfragen, wie die Stimmung ist.
  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbinden und sie teilhaben lassen.
  • Nicht im Elfenbeinturm konzipieren, sondern nah an den Betroffenen bleiben. Gesprächsanlässe nutzen, wo immer sie sich bieten. So kann man die Stimmung schnell erfassen und bei Bedarf schnell gegensteuern.

Liebe Marion, vielen Dank für das Gespräch!

Autor: Natascha Kunath

Natascha Kunath ist Beraterin für Change Kommunikation bei K12 - Agentur für Kommunikation und Innovation in Düsseldorf. Vorherige Stationen: Change Managerin bei thyssenkrupp, CSR (Initiativkreis Ruhr/Kultusministerium Thüringen/ERGO) und mehr als zehn Jahre Change-Beratung bei Deekeling Arndt/AMO. Bei K12 berät sie Kunden in allen Fragen der strategischen Veränderungskommunikation.

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