
Corporate Influencer sind gekommen, um zu bleiben – daran zweifelt kaum noch jemand. In der internen wie externen Kommunikation, beim Employer Branding oder in der Positionierung von Fachthemen: Wenn Mitarbeitende sichtbar werden, profitieren Unternehmen von Reichweite, Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Branchenübergreifend zeigt sich, dass Corporate-Influencer-Initiativen funktionieren – auch dort, wo man sie früher vielleicht nicht erwartet hätte, etwa im Finanzwesen (z.B. Allianz), im Bergbau (K+S), im Maschinenbau (TRUMPF), in der Industrie (Bosch), in der IT (SAP) oder in der Energieversorgung (EnBW). Mitarbeitende werden zu glaubwürdigen Botschafter:innen und verleihen ihrer Organisation ein Gesicht. Die positiven Effekte – von gesteigerter Markenbekanntheit über messbaren Vertriebserfolg bis zum Employer Branding – sind gut belegt.*
Doch so groß die Begeisterung auch ist, so häufig erfolgt der Rückschlag in der Umsetzung: Programme kommen nicht aus der Konzeptphase heraus, verlaufen nach dem Kick-off im Sand oder stoßen intern auf Widerstände.
Wir haben uns Gedanken gemacht, woran Corporate-Influencer-Programme in der Praxis scheitern und was Unternehmen tun können, um genau das zu vermeiden.
1. Stakeholder-Chaos statt Strategie
Viele Programme scheitern, bevor sie starten, weil entscheidende interne Gruppen nicht rechtzeitig eingebunden werden. Corporate Influencing ist kein Projekt der Kommunikationsabteilung allein. Es braucht unter anderem die Unterstützung der direkten Kolleg:innen (Stichwort Flurfunk), der IT (z. B. für Zugänge, technische Ausstattung, Schulungen), der Geschäftsleitung (ein klares Commitment erhöht Motivation und Erfolgsaussichten) – und insbesondere der direkten Führungskräfte im mittleren Management.
Gerade sie werden häufig zu spät informiert oder gar nicht eingebunden. Dabei sind es genau diese Führungskräfte, die am besten wissen, welche Belastungen ihre Teams tragen können. Sie haben gleichzeitig ein starkes Interesse daran, bei der Einteilung von Arbeitszeit und Prioritäten mitzubestimmen. Wer hier nicht transparent und frühzeitig kommuniziert, riskiert interne Blockaden. Stakeholder-Management ist daher nicht Kür, sondern Pflicht.
Praxis-Tipps:
- Nutzen Sie einen strukturierten Ansatz, beispielweise eine Stakeholder-Matrix und das RACI-Modell (wer ist verantwortlich, wer entscheidet, wer wird konsultiert, wer wird informiert), um Verantwortlichkeiten und Informationsflüsse sichtbar zu machen und zu planen.
- Planen Sie für die Stakeholder-Kommunikation genügend Zeit ein – idealerweise parallel zur Konzeptentwicklung.
- Beziehen Sie insbesondere Arbeitgebervertretungen, Datenschutz und die Rechtsabteilung so früh wie möglich ein – nicht erst zum Kick-off. Diese Stakeholder sind, je nach Unternehmens- und Programmstruktur, vielleicht nur zu informieren, können aber im Zweifelsfall auch eine gesamte Initiative stoppen, falls mitbestimmungspflichtige Themen aufkommen. In jedem Fall sitzen in diesen Teams Expert:innen, die ihr Wissen an zukünftige Corporate Influencer weitergeben können.
2. Kein Commitment, kein Budget, kein Plan
„Das machen wir mal eben mit“ – diesen Satz hören wir oft. Die Realität: Ein Corporate-Influencer-Programm braucht Zeit, Ressourcen und interne Verbindlichkeit. Ohne definierte Zuständigkeiten, ein realistisches Zeitbudget und einen klaren Plan bleibt es beim guten Vorsatz.
Allein die Vorbereitungsphase bis zum Kick-off kann je nach Unternehmensgröße zwischen 100 und 200 Arbeitsstunden umfassen. Auch danach ist eine kontinuierliche Betreuung nötig: fachliches Sparring, Content-Ideen, Motivationsarbeit. Das geht nicht „nebenbei“.
Praxis-Tipps:
- Schaffen Sie interne Ansprechpersonen mit klar definiertem Zeitbudget.
- Planen Sie ein festes Jahresbudget für das Programm ein. Je nach Umfang des Programms, möglichen Reisekosten der Mitarbeitenden und der Integration externer Unterstützung kann dieses vier- bis sechsstellig sein.
- Legen Sie in der Konzeptionsphase fest, wie viel Unterstützung die Teilnehmenden über die Laufzeit des Programms nach dem Kick-off benötigen – und wer diese leistet.
3. Kontrollwahn killt Motivation
Ein häufiger Killer in der Umsetzung: zu viel Kontrolle, zu wenig Vertrauen. Wenn jeder Beitrag freigegeben werden muss, jede Wortwahl geprüft wird und jede Abweichung von definierten Markenbotschaften Alarm auslöst, bleibt von der gewollten Authentizität nicht viel übrig.
Dabei ist Vertrauen kein Nice-to-have, sondern eine Grundvoraussetzung. Wer Mitarbeitende zu Corporate Influencern macht, muss bereit sein, Verantwortung abzugeben. Ja, das braucht Mut. Aber der Versuch, Sichtbarkeit zu steuern wie eine klassische Marketing- oder Kommunikationskampagne, funktioniert nicht.
Praxis-Tipps:
- Verzichten Sie auf Freigabeprozesse – setzen Sie stattdessen auf Schulung, Guidelines und Sparring.
- Machen Sie klar: Fehler sind okay. Fehlerkultur ist Teil der Digital Culture.
- Vertrauen Sie auf die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden – sie sprechen ohnehin schon über Sie (online oder offline).
4. Mitarbeitende ohne Werkzeugkasten
Viele Programme gehen davon aus, dass Mitarbeitende bereits wissen, wie es geht. Nur: Das ist selten der Fall. Schreiben für Social Media, Bildbearbeitung, rechtliche Grundlagen, Themenfindung, KI-Tools – all das muss erst vermittelt werden. Und zwar nicht einmalig, sondern kontinuierlich.
Besonders wichtig: der Umgang mit Zweifeln, Unsicherheiten und Motivationstiefs. Wer sichtbar wird, wird auch angreifbar – darauf müssen Corporate Influencer vorbereitet sein. Und sie sollten wissen: Mein Unternehmen steht hinter mir.
Praxis-Tipps:
- Schaffen Sie ein strukturiertes Enablement-Programm mit regelmäßigen Lernangeboten.
- Kombinieren Sie Schulungen, Sprechstunden, Templates und persönliches Coaching.
- Etablieren Sie einen kontinuierlichen Austausch (z. B. in Form eines Netzwerks oder Community-Formats).
Fazit: Mehr als ein Leuchtturmprojekt
Corporate-Influencer-Programme sind keine On-off-Projekte. Sie funktionieren nicht ohne Strategie, nicht ohne Ressourcen und nicht ohne Vertrauen. Wer sie ernst meint, muss sie professionell aufsetzen – mit einem klaren Ziel, strukturierten Prozessen und kontinuierlicher Betreuung.
Die gute Nachricht: Wenn das gelingt, ist der Effekt nicht nur nach außen sichtbar. Auch nach innen stärkt ein gutes Programm die Unternehmenskultur, das Miteinander und die Lust am Mitgestalten.
*u.A. bvik: Erfolgreiches Employer Branding mit Corporate Influencern, 2024; Edelmann: B2B Thought Leadership Impact Study, 2020; Edelmann: The New Cascade of Influence, 2022. ; Financial Times: The employees promoting their company on social media, 2024