Von Karin Beiküfner und Jörg Hoewner
„Personas“ sind eine weit verbreitete Methode, um eine realistische Vorstellung des typischen Kunden, Anwenders oder Nutzers zu gewinnen. Dabei muss allerdings die Grundlage stimmen – Empathie und Bauchgefühl reichen dafür nicht. Mit Personas zu arbeiten erfordert den Einsatz analytischer Methoden und eine gute Datenbasis.
Weiblich, jung, ledig … ist zu wenig
Nina ist Anfang 30, Projektleiterin in einem Konzern und wohnt in Duisburg. Sie ist auf Facebook und LinkedIn unterwegs, oft im Stress, hat eine Katze und interessiert sich für Psychologie. Sie könnte eine typische Leaks-Leserin sein. Nina gibt es nicht wirklich. Sie ist auch nicht frei erfunden: Nina ist eine Persona, die eine Bezugsgruppe repräsentiert. Diese wurde auf der Basis von empirischen Daten aus Leserbefragungen, Nutzerprofilen sowie sozioökonomischen Hintergrundinformationen zu einem von mehreren Nutzertypen entwickelt – in diesem Beispiel fiktiven, realistisch wirkenden Lesern.
So wie wir bei K12 mit Personas arbeiten, hat sich diese Methode in vielen Unternehmen und Projekten bewährt, die vor einer vergleichbaren Aufgabe stehen: Wie entwickeln wir unser Angebot gezielt so weiter, dass wir die Erwartungen und Wünsche der Bezugsgruppen von Anfang an einbeziehen? Wer sind unsere Bezugsgruppen? Wie gut kennen wir unsere typischen Kunden oder Nutzer? Für wen machen wir das alles überhaupt?
Personas lösen methodisch zwei Probleme
Personas sind eine geeignete Methode, um Bezugsgruppen sowohl übersichtlicher zu gestalten als auch konkret und realitätsnah zu erfassen. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass mit der Entwicklung von Personas die Beteiligten an einem Projekt ein gemeinsames Verständnis der Bezugsgruppe(n) gewinnen. Personas können bei der Erarbeitung einer Content-Strategie genauso nützlich sein wie bei der Priorisierung von Investitionen in neue Produkte oder Leistungen. Sie lösen zwei Probleme, die sich ergeben, wenn es an einem fundierten, gemeinsamen Bild der Bezugsgruppe fehlt: die Gefahr, dass sich subjektive Einschätzungen in den Vordergrund drängen – „Ich denke, wir sollten mal was zu Fake News machen, ich finde das superspannend …“ – oder es wird nur logisch überlegt – „Es könnte ja auch Leser geben, die mehr Anleitungen haben wollen …“ Das führt zum Verzetteln und, beispielsweise in der Content-Strategie, zum Verwässern von konsistenten Kernbotschaften und der Verschwendung von Zeit und Energie.
Personas setzen genau an dieser Stelle an: Als analytisch fundierte, archetypische Beschreibung, in der wesentliche Merkmale der Bezugsgruppe in das konkrete Bild einer Person zusammenfließen. In der Praxis ist es allerdings oft noch so, dass Personas aus persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen mit Kunde X und Y, quasi „aus dem Bauch heraus“ entwickelt werden. Ohne analytische Basis verliert das Instrument viel von seiner Kraft und führt zum Teil dann in die falsche Richtung. Kunde X und Y mag es real geben, typisch für Bezugsgruppen sind sie deshalb noch nicht. Der Nutzen von Personas steht und fällt mit der Methode, sie zu entwickeln.
In drei Schritten zu realistischen Personas
Bezugsgruppenforschung bilden. Dafür können entweder eigene Daten erhoben werden, falls Aufwand und Kosten in einem Verhältnis zum Projekt stehen; oder auf bereits verfügbare Daten zurückgegriffen werden, die von öffentlichen und privaten Anbietern in der Konsumentenforschung angeboten werden (eine Auswahl guter Quellen haben wir hier zusammengestellt, pdf). Aus diesen Daten lassen sich die Grundinformationen zur Persona, ihre Einstellungen, Werte, Ziele, der Kontext der Nutzung eines Produkts oder einer Leistung gewinnen.
Im zweiten Schritt können aus der Datenerhebung Cluster gebildet werden. Wie viele Personas für ein Projekt entwickelt werden, ist immer von der Zielsetzung abhängig; es sollten nicht mehr als drei bis fünf sein, sonst wird’s zu unübersichtlich.
Nach der Aufbereitung der Daten kommt im dritten Schritt schließlich die Verdichtung und Ausarbeitung zu den Personas. Idealerweise geschieht das in einem Workshop, so dass auf der vorhandenen Datengrundlage verschiedene Sichtweisen und Wissen über Kunden oder Nutzen zusätzlich einfließen können. Mit diesem Vorgehen werden Personas als gemeinsames Bezugsgruppen-Leitbild entwickelt und die Voraussetzungen geschaffen, dass sie in der Praxis als Orientierung genutzt und akzeptiert werden.
Voraussetzungen für die Praxis
Wie jede Methode, funktioniert auch Arbeit mit Personas nicht immer und überall. Drei Voraussetzungen sollten gegeben sein:
- Erstens, ein Grundverständnis der Methode und der Notwendigkeit, dabei analytisch vorzugehen, um zu realistischen Ergebnissen zu kommen;
- dann die grundsätzliche Bereitschaft im Team, bei der Entwicklung eines Produkts oder einer Leistung, vom Kunden her zu denken. Wie wichtig ist Nina das neue Navigationsfeature? Stimmt aus ihrer Sicht der Mix aus aktueller Information und Hintergrund?
- Schließlich müssen Personas für jeden gut zugänglich sein, so dass sie in der Praxis anwendbar sind. Denn darum geht es letztlich: Die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Kunden von Anfang an und über den gesamten Prozess hinweg in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist die beste Voraussetzung für den Erfolg.