Measurement & Research

Lektüre: „Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook.“ Von Daniel Miller

10. Juni 2013 · von Jörg Hoewner · 5 Minute Lesedauer · Keine Kommentare

Daniel Miller lehrt Ethnologie am University College in London und hat sich mit ethnologischen Werken zur Internetnutzung und neuerdings Social Media-Nutzung schon seit längerem einen Namen gemacht. Als Ethnologe untersucht man üblicherweise kulturelle Muster in Gemeinschaften – folglich ist es naheliegend, dieses auf Facebook auszudehnen. Dazu hat Miller für die vorliegende Studie eine zeitlang auf Trinidad zugebracht (2010/2011), um die Facebook-Nutzung dortiger Menschen über Interviews und durch Beobachtung zu untersuchen. Warum Trinidad? Weil Miller schon vorher mehrfach dort gearbeitet hatte und insofern Verbindungen und einen leichteren Zugang zu Nutzern bekommen konnte. Daneben war es für ihn interessant, Nutzer aus der vermeintlichen Peripherie zu untersuchen und nicht aus London, Berlin oder New York, wo Facebook-Nutzung schon Gegenstand von etlichen Studien (wenn auch nicht unbedingt ethnologisch) ist. Darüber hinaus gehört Facebook (oder „Fasbook“, wie die „Trinis“ sagen) auf Trinidad & Tobago bei vielen Menschen zum Alltag, mit einer Reichweite von 36% der Gesamtbevölkerung (Sept. 2012) – mit ganz eigenen Nutzungsmustern, die so eben nicht in Deutschland oder Großbritannien beobachtbar wären. Miller geht so weit zu behaupten, Facebook-Nutzung sei in Trinidad gleichbedeutend mit Internet-Nutzung – andere Dienste spielten dort wohl kaum eine Rolle. Miller leitet sein Buch ein, in dem er sieben Nutzer vorstellt und der Rolle, die Facebook in den Leben dieser sieben Menschen spielt. Da ist zum Beispiel der sozial scheinbar verarmte Arvind, der sich über das Farmville-Spielen soziale Anerkennung und Kontakte auch für „rl“ (das reale Leben) erarbeitet hat (am Ende sogar deswegen eine Ausbildung beginnt). Oder Marvin, dessen Ehe daran zerbricht, dass Facebook lokale Muster der zwischengeschlechtlichen Beziehungen verstärkt (in diesem Fall, einer latente Eifersucht, die durch das Sichtbarwerden von Beziehungen dauerhaft genährt wird). Oder Alana, die in einer Dorfgemeinschaft lebt und es via Facebook schafft, jede Nacht mit einer Gruppe von Kommilitonen gemeinsam zu lernen. Das klingt erst einmal nicht exotisch oder ungewöhnlich. Ungewöhnlich sind allerdings die lokalen Spezifika und vor allem die manifesten Konsequenzen der Nutzung, indem Facebook nicht nur massiv in die Lebensgestaltung eingreift, sondern teilweise Biografien komplett verändert. Lehrreich ist dabei, dass es offensichtlich „den“ oder „die“ Facebook-Nutzer nicht gibt. Bei jedem der Fallstudien ist Facebook in unterschiedlicher Weise in den Tagesablauf integriert und bei allen ist sichtbar, dass sich kulturelle Eigenheiten der „Trinis“ auf Kommunikationsgewohnheiten in Facebook in unvorhersehbarer Art und Weise auswirken. Folglich wird Facebook in jedem Land anders genutzt, so dass man eigentlich nicht mehr von einem globalen „Sozialen Netzwerk“ Facebook sprechen kann, sondern einem Diensteanbieter Facebook, der das Feld für viele lokale oder themen- oder interessengeleitete Netzwerke bereitet. Im theoretischen Teil des Buches leitet Miller Thesen aus der Studie ab, die teilweise wenig neu oder überraschend sind (These 1: „Facebook erleichtert das Führen von Beziehungen“), teilweise aber sehr nachdenkenswert. Zum Beispiel, dass Facebook den Trend der Anonymisierung von Beziehungen (Stichwort Nicknames) oder der Selbstrepräsentation im Internet wieder zurückfährt, in dem die nicht-anonyme Person stärker in den Vordergrund gestellt wird. Mit Konsequenzen für die Selbstdarstellung, für die Öffentlichkeit auch von politischen Positionen usw.. Thesen 6 und 7 gehen wie folgt: „Mit Facebook enden zwei Jahrhunderte der Flucht aus Gemeinschaften“ und „Facebook erinnert uns auch an die Kehrseite von Gemeinschaft“. Was steckt dahinter? Es ist unbestreitbar, dass Facebook eine soziale Gemeinschaft konstituiert. Belegen kann man, dass Nutzer, die Facebook intensiv nutzen, in der Regel ein aktiveres außer-netzliches Sozialleben pflegen. Facebook ist Katalysator für virtuelle und nicht-virtuelle Gemeinschaften. Und hier sieht Miller eine Trendumkehr der  Individualisierung hin zu einer Re-Sozialisierung. Da Facebook ein recht junges Phänomen ist, wäre ich mit einer solchen Einschätzung vorsichtig, aber es ist ein Punkt. Stichwort Kehrseite: Über Facebook werden Schattenseiten von Gemeinschaften (also real-life Gemeinschaften) stärker sichtbar bzw. verstärkt, von Klatsch und Tratsch bis hin zum Dissen von Nutzern bis hin dazu, dass Krankheiten, Unglücke, Missbrauch, Gewalt für jedermann sichtbar werden. Ich werde mich in den nächsten Tagen noch mal mit der Methode von Miller und der Anwendung auf andere Fragestellungen widmen. Kurz vor Mitternacht daher noch eine eindeutige Leseempfehlung für das Buch. Es ist kurzweilig geschrieben, lehrreich und gehört mit zum Besten, was ich über Facebook gelesen habe. Perfekte Wochenendlektüre.  

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Buchtipp: „Social Media – Analytics und Monitoring“ von Andreas Werner

2. Juni 2013 · von Jörg Hoewner · 2 Minute Lesedauer · 1 Kommentar

Kurzverdikt: Sehr empfehlenswert

Untertitel: „Verfahren und Werkzeuge zur Optimierung des ROI“

Gestern war ich in Essen unterwegs und habe mich in einem „Bricks & Mortar“-Bücherladen in die Marketing-Ecke gehockt. Zwischen „Marketing-Spitzenleistungen“ und „Kundenverhalten“ lachte mich dann dieser Titel an. Spezielle Titel zu Social Media Analytics sind im deutschsprachigen Raum mit einigen Jahren Verspätung aufgetaucht, bis vor anderthalb Jahren musste man sich hier mit Literatur zu Web Analytics allgemein oder mit englischsprachigen Werken zufrieden geben. Also habe ich nach kurzem Blättern zugegriffen.

Das Buch ist sehr aktuell (Vorwort aus März 2013) und behandelt natürlich die Themen, die man bei so einem Titel erwarten würde: Grundlagen, Metriken einzelner Social Media-Plattformen (inkl. Google plus und Pinterest), Evaluation mit Webanalyse-Tools (Fokus Google Analytics), KPIs/ROI, Monitoring-Tools und Vorgehensweise beim Monitoring.

Neben diesen Standards gibt es hier jedoch Kapitel, die eher selten behandelt werden: Im 2. Kapitel geht es um die Bewertung neuer sozialer Netzwerke: Zur Zeit, da immer noch ständig neue Player auftauchen ein sehr wichtiges, überfälliges Kapitel.

Kapitel 5 widmet sich dem Thema Scores von Klout und Konsorten. Werner stellt die Idee hinter diesen Kompositkennzahlen vor, die gut zur Identifikation von Multiplikatoren eingesetzt werden können, aber die man auch nicht überbewerten sollte.

Und in Kapitel 6 geht es um die Bestimmung der idealen Posting-Zeitpunkte. Auch ein praxis-relevantes Thema.

Insgesamt ein wichtiges Buch für jeden, der sich mit Social Media-Evaluation beschäftigt. Auch ist es ein Buch, das man gut selektiv bzw. als Nachschlagewerk nutzen kann.

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Buchtipp: „Communicating the user experience“ von Richard Caddick / Steve Cable

26. Dezember 2012 · von Jörg Hoewner · 3 Minute Lesedauer · Keine Kommentare

Kurzverdikt: Empfehlenswert (aber nicht für jeden)

Wie der Untertitel schon sagt („A practical guide for creating useful UX documentation“), wendet sich das Buch an UX-Praktiker, die eine praktische Einweisung suchen dafür, wie sich User Experience-Dokumente entwickeln und wirkungsvoll darstellen lassen.

Dabei tut man den Begriff „User Experience“ häufig als Feld innerhalb der Website-Entwicklung ab, dabei lassen sich die Methoden im weiten Feld des Marketing, der Kommunikation ebensogut einsetzen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, die Kundenbedürfnisse zu verstehen und zu vermitteln, Interaktionen zwischen Kunden und Unternehmen zu analysieren (Customer Journey), etc.. Die vorgestellten Methoden umfassen Personas, Task Models, User Journeys, Content Requirements, Sitemaps, Wireframes, Usability Test Reports und Funnel-Diagramme. Insbesondere die ersten drei Methoden sind auch für Marketing- und Kommunikationsfachleute sehr relevant, ebenso für Industriedesigner oder Ingenieure, die sich Gedanken darüber machen müssen, wie Nutzer mit Produkten oder Dienstleistungen umgehen.

Als Zielgruppe würde ich dabei Einsteiger und Fortgeschrittene sehen. Es werden Einsatzzwecke der Methoden erläutert (Zielgruppen, Erkenntnisziele), Methoden für die Sammlung von zu Grunde liegendem Datenmaterial (Recherche- und Workshop-Methoden) und am Ende die Visualisierungsmöglichkeiten. Die ersten beiden Aspekte sind jeweils recht knapp gehalten, der Schwerpunkt des Buches ist definitiv die Visualisierung anhand von Persona-Darstellungen, visuellen Task-Models etc.., die alle Schritt für Schritt durchdekliniert werden. Die Autoren verlassen sich dabei auf das Mac- bzw. iPad-spezifische Werkzeug Omnigraffle (das Mac-Pendant zu MS Visio), das für die meisten Erläuterungen herangezogen wird. Für mich als Omnigraffle-Fan ist das Buch daher eine Fundgrube für neue Einsatzaspekte des Programms. Aber für Windows-Nutzer sind automatisch 60% der Praxistipps für die Katz´, weil sich die Omnigraffle-Workflows nicht wirklich auf andere Werkzeuge übertragen lassen (schon gar nicht auf das umständliche Visio). Die anderen 40% Anleitungen beziehen sich auf Word, Powerpoint, Excel und Axure.

Kurzum: Für Omnigraffle-User ist das Buch unbedingt empfehlenswert, für alle anderen bedingt. Für Einsteiger, die sich dem Thema nähern, würde ich eher zu „Communicating Design“ empfehlen und erst zur Vertiefung dieses hier.

PS: Ein Link zu den kostenlos downloadbaren (und chiquen)  Templates findet sich hier: http://cxpartners.com/ux-resources/

 

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Whitepaper: „Social Media Metrics“

13. November 2012 · von Jörg Hoewner · 1 Minute Lesedauer · Keine Kommentare

Aktuell in unserer Kollektion: Ein Fachbeitrag zum Thema Social Media Metrics, der in erweiterter Form im Buch „Webwissenschaft: Methoden“ (Herausgeber Konrad Scherfer / Helmut Volpers) veröffentlicht werden wird.

Social Media Metrics sind Methoden, mit denen Kommunikationsmaßnahmen in den Social Media hinsichtlich ihrer Nutzung bewertet werden können. Neben Kennzahlen wie der Netzwerkgröße (Anzahl an Followern, Fans etc.), Traffic (Page Impressions, Unique Visits etc.) und dem Volumen der Kommentare sind viele weitere Messgrößen im Einsatz, die mit unterschiedlichsten Methoden erhoben werden. In dem Beitrag werden der Stand der Diskussion um Social Media Metrics Standards erläutert, die wichtigsten Metriken vorgestellt sowie ein Überblick über die wichtigsten Datenquellen für Social Media Metrics gegeben.

Whitepaper zum Download: http://www.k-zwoelf.com/wissenspool/publikationen-und-whitepaper/

Link zum kompletten Buch folgt.

Buchtipp: „PR-Evaluation und Kommunikations-Controlling“ von Nanette Besson

29. Oktober 2012 · von Jörg Hoewner · 2 Minute Lesedauer · 1 Kommentar

Untertitel: Public Relations optimieren und steuern. Ein Handbuch für PR-Praktiker.

Kurzverdikt: Pflichtlektüre.

Auf dem deutschsprachigen Markt gibt es vielleicht eine Handvoll Bücher, die sich mit dem Thema PR-Evaluation beschäftigen, d.h. der Erfolgskontrolle und der laufenden Steuerung von PR-Prozessen. Die meisten dieser Werke haben meiner Auffassung nach einen stark akademischen oder normativen Anspruch, sich dem Thema anzunähern. So zum Beispiel auch das Werk „Strategische PR-Evaluation“ der selben Autorin. Für den Agenturmenschen oder den Pressesprecher, der was Handfestes und pragmatisch Einsetzbares benötigt, wird das Angebot sehr dünn. Genau in diese Richtung stößt das vorliegende Buch von Nanette Besson.

Das Buch widmet sich auf 105 Seiten den Themen Planung der Evaluation, Evaluation der Investition (Geldwertes!), Evaluation der Kommunikationseffekte und Steuerung von Kommunikation und schließt mit einem umfassenden Serviceteil ab. Dazwischen liegen immer sehr ausführliche Hinweise auf weiterführende Literatur oder Links. Themen wie Werbeäquivalenz und Medienresonanzanalyse werden genau so behandelt wie das Thema Social Media Evaluation. „Hausnummern“ zu Methoden (Was kostet eine Umfrage, eine MeRa, etc.) findet man hier ebenso wie Checklisten und Tipps zum Reporting.

Super gefällt mir der Schnelleinstieg, in dem auf wenigen Seiten die Essenz des Themas zusammengefasst und die wichtigsten Arbeitsschritte vorgestellt werden. Das werde ich definitiv als „Must read“ meinen Kollegen auf den Tisch legen.

Ein paar Themen werden mir noch etwas zu stiefmütterlich behandelt, insbesondere das Thema Online-PR-Evaluation jenseits von Social Media. Das schmälert jedoch keineswegs den Gesamteindruck: Für PR-Profis (angehende und gestandene), die sich mit dem Thema praxisorientiert beschäftigen wollen, dem sei das Buch als Pflichtlektüre empfohlen. Ich kenne derzeit kein anderes Buch, dass dem Anspruch eines „Handbuchs“ vergleichbar gerecht wird.

Nanette Besson hat übrigens ein sehr lesenswertes Blog hier: blog.pr-evaluation.de

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